Mobilität bedeutet Freiheit und Teilhabe
Die Mobilität des Einzelnen darf weder vom Einkommen noch vom Wohnort abhängen. Aktuell schränken mangelnde finanzielle Möglichkeiten die Mobilität der davon Betroffenen ein. Steigende Mobilitätskosten können sie nur schwer kompensieren. Die Teilhabe an einer vom ÖPNV unabhängigen Multimodalität bleibt ihnen aufgrund der hier zusätzlich anfallenden Kosten verwehrt. Nach Ansicht des ACE sind verkehrspolitische Strategien deshalb nicht nur mit ökonomischen und ökologischen, sondern auch eng mit sozialpolitischen Fragestellungen verbunden. Ziel muss es sein, für alle Menschen – auch Ältere, Kinder und Jugendliche und Menschen mit Behinderungen – Mobilität zur Sicherstellung persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Teilhabe zu gewährleisten.
Im ländlichen Raum und in suburbanen Regionen ist die Versorgung mit öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen in der Regel deutlich schlechter als in den Städten. Hier fahren Busse und Bahnen selten und die Vielzahl neuer Mobilitätsangebote, die es in den größeren Städten gibt, ist nicht vorhanden. Das macht das eigene Auto für viele Menschen unverzichtbar. Gerade hier stellt die Mobilität eine der großen Herausforderungen der Zukunft dar.
Situation im ländlichen Raum
Zwischen den suburbanen Gebieten und Städten sowie bei den Verbindungen zwischen kleineren und mittleren Städten muss der ÖV künftig eine attraktive Alternative zur motorisierten Individualmobilität darstellen. Für die gesellschaftliche Teilhabe, das Leben der persönlichen Freiheit und die Identifikation mit der Kommune und der Region ist die Möglichkeit, schnell, kostengünstig, umweltschonend und sicher den Arbeitsplatz, die Schule, den Ausbildungsplatz, aber auch den Bäcker oder anderes zu erreichen, eine grundlegende Voraussetzung. Es gibt nicht die eine ländliche oder suburbane Region. Daher erfordert jede Wirtschafts- und Raumstruktur jeweils lokal angepasste Angebote und maßgeschneiderte Lösungen.
Insbesondere Jugendliche und Seniorinnen und Senioren sind die Leidtragenden eines schlechten öffentlichen Nahverkehrs auf dem Land. Neben den fehlenden attraktiven Alternativen zum Pkw gibt es eine weitere große Herausforderung für die Verkehrswende im ländlichen Raum: Die Wege werden länger. Die durchschnittliche Tagesstrecke hat sich in den ländlichen Regionen von 33,4 km im Jahr 2002 um 17,7% auf 39,3 km im Jahr 2015 erhöht. Da weitere Wege den Energieverbrauch steigern, muss das Ziel einer Verkehrswende ebenfalls sein, die Wege zu verkürzen und damit auch die Kosten zu verringern. Intelligent gesteuerte Mobilität auf Abruf findet im ländlichen Raum kaum statt. Dabei hätten gerade hier integrierte und digitale Verkehrsangebote eine Chance. Die Erreichbarkeit jedes Ortes mit öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln trägt entscheidend zur Lebensqualität bei.
Aktuell sind Verkehrsrecht und -planung in Deutschland nicht an gesellschaftlichen Zielen wie sozialer Gerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz ausgerichtet. Die Kompetenzen sind zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt. Straße, Schiene und Wasserstraße werden separat betrachtet, was bedeutet, dass es keine integrierte Planung über alle Verkehrsmittel hinweg gibt, die an den Bedürfnissen der Menschen und ihren Wegen ausgerichtet ist. Nach Ansicht des ACE braucht es hier ein koordiniertes Vorgehen in der Verkehrspolitik, das langfristige Strategien für einen sozialen, ökologischen und wirtschaftlich ausgerichteten Verkehr entwickelt. Dies wäre mit einem Bundesmobilitätsgesetz umsetzbar.
Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)
- Verkehrspolitik im Rahmen eines Bundesmobilitätsgesetzes, das langfristige Strategien für einen sozialen, ökologischen und wirtschaftlich ausgerichteten Verkehr entwickelt hat, koordiniert vorgehen;
- der ÖPNV massiv ausgebaut und aufgewertet worden sein durch:
- mehr Kapazitäten und Integration der Verkehrsmittel,
- kürzere, aufeinander abgestimmte Taktfrequenzen auf kommunaler, regionaler, Länder- und Bundesebene,
- Ausweitung der Betriebszeiten,
- Vorrang des Umweltverbundes im Straßenraum durch Vorrangschaltungen an Ampeln und Ausbau des Busspur-, Rad- und Fußwegenetzes (einschließlich Abstellinfrastrukturen),
- ein attraktives und für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer bezahlbares Tarifsystem,
- die Schaffung eines leichten und vollumfänglichen Zugangs zu Echtzeitinformationen (mobil abrufbar und auch im Haltestellenbereich sichtbar, aber auch durch telefonische Kanäle für jene, die nicht über einen Onlinezugang zu Medien verfügen),
- mehr Komfort für Nutzerinnen und Nutzer, beispielsweise durch Investitionen in fußläufig erreichbare Haltestellen;
- es einen umfassenden Mobilitätsverbund von Bussen und Bahnen, Car-, Roller- und Bikesharing, Mitfahrgelegenheiten, Taxen und anderen Dienstleistungen mit einem hohen Nutzerpotenzial geben; so wird die Teilhabe an der Multimodalität auch Stadtbewohnern außerhalb der Innenstädte zugänglich gemacht;
- hierfür das in 2021 novellierte Personenbeförderungsgesetz (PBefG) dahingehend verändert worden sein, dass die Aufgabenträger an alle Mobilitätsanbieter – egal ob eigen- oder gemeinwirtschaftlich oder für die sogenannten „Plattformanbieter“ – Anforderungen über Kapazitäten, Preise, Qualitäts-, Sozial- und Umweltstandards sowie alle weiteren Rechte und Pflichten stellen können. Dies ist im Rahmen der Novellierung nicht sichergestellt worden;
- der Spielraum der Gemeinden und Kommunen zum Ausprobieren neuer Mobilitätsdienstleistungen vergrößert worden sein; diese brauchen oft mehr Zeit, um in der Lebenswirklichkeit der Menschen – also der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer – anzukommen und ihr volles Potenzial zu entfalten;
- sich der ÖPNV auf dem Land mit alternativen Verkehrsangeboten (Bürgerbusse, per Anruf bestellbare Verkehre, App-(Sammel-)Fahrdienste als bestellte Verkehre) vernetzt haben und so den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen in dünn besiedelten Räumen gerecht geworden sein, so dass er eine echte Alternative zum privaten Pkw darstellt;
- die digitale Infrastruktur im ländlichen Raum, die das Rückgrat vieler innovativer Ideen – auch im Bereich der ländlichen Mobilität – ist, vollumfänglich ausgebaut und für alle nutzbar sein;
- Innovationen wie Tür-zu-Tür-Mobilität, nicht liniengebundener Verkehr und autonomes Fahren ausprobiert und bereits in Anwendung gebracht worden sein;
- es für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen mehr intelligente Mobilitätsdienstleistungen geben, die ihre gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten;
- es einen abgestimmten Taktfahrplan, angepasste Planungsprozesse und Aufgabenverteilung geben;
- in Betrieben betriebliches Mobilitätsmanagement ab 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtend eingeführt worden sein, um die Arbeits- und Dienstwege der Beschäftigten effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Mobilitätserziehung
Mobilitätserziehung hat viele Facetten. Ein wichtiger Ansatz in der Erziehung von Kindern zu mobilen Menschen ist nach Ansicht des ACE ihre aktive Teilnahme am Verkehr. Wenn Kinder lernen, aktiv mobil zu sein, behalten sie als Erwachsene oft ihr erlerntes Mobilitätsverhalten bei und geben es später an die eigenen Kinder weiter. Es handelt sich daher um eine besonders nachhaltige Mobilitätsmaßnahme. Frühzeitig gemeinsam mit Erwachsenen verschiedene Optionen – wie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den ÖPNV – nutzend unterwegs zu sein, ist eine gute Übung für das sichere Verhalten im Straßenverkehr. Dieses zu erlernen braucht Ruhe und Zeit.
Andernfalls bleibt den Kindern womöglich die Kenntnis über die Vielfalt an Optionen, ihr Ziel zu erreichen, und das Selbstverständnis, diese zu nutzen, verwehrt. Für die Verkehrswende ist es wichtig, Kinder und Jugendliche nicht zu Autofahrerinnen oder Autofahrern zu erziehen
Arbeitspapier als Download (PDF)
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Verkehrswende sozial gerecht im Einzelnen