VERKEHRSSICHERHEIT

Vision Zero

Verkehrssicherheit ist ein zentraler Baustein nachhaltiger Verkehrspolitik. Das langfristige Ziel ist die Vision Zero: keine Toten im Straßenverkehr. Für den ACE hat der Schutz aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer hohe Priorität auf der politischen Agenda. Das Ziel von Vision Zero muss im Rahmen der Fahrzeugtechnik, der Infrastruktur und des Straßenbaus, im Rahmen der Gesetzgebung und der Verkehrsüberwachung sowie im Bereich der Mobilitätsbildung mit konkreten Maßnahmen erreicht werden. Eine verkehrssichere Infrastruktur muss gestärkt werden und das gesamte Potenzial technischer Entwicklungen zur Unfallverhütung muss ausgeschöpft werden. Der Schutz gilt insbesondere den vulnerablen Gruppen, also den Radfahrerinnen und Radfahrern, den Fußgängerinnen und Fußgängern und den jungen und älteren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern. So kann die Anzahl der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten weiter gesenkt werden.

    Verkehrsopfer in Deutschland

    70% der Menschen, die im Stadtgebiet bei Unfällen sterben, sind Radfahrer- und -innen, Zufußgehende oder Motorradfahrer und -innen. Das Risiko beim Motorradfahren schwer verletzt oder getötet zu werden ist 30 mal so hoch wie im Pkw. Ein Drittel dieser Unfälle passiert ohne Fremdeinwirkung. Selbstüberschätzung und zu hohes Tempo, aber auch Alkohol, andere Drogen und Medikamente spielen eine wichtige Rolle. D.h. Motorradfahrer- und -innen leben gefährlicher als andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Auf dem Rad sind insbesondere Ältere in Gefahr. Fast 60% der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer sind über 64 Jahre alt. Demzufolge steigt perspektivisch mit der Alterung der Gesellschaft auch das Unfallrisiko.

    Im Jahr 1970 starben in Gesamtdeutschland noch über 21.300 Menschen im Straßenverkehr. 2021 hingegen kamen insgesamt 2.564 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr zu Tode. Dies stellt eine Reduktion um 88% dar. Im gleichen Zeitraum haben sich Bestand und Fahrleistung der Fahrzeuge verdreifacht.

    Mit moderner Fahrzeugtechnik, infrastrukturellen Maßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben konnte in den letzten Jahrzehnten viel erreicht werden. Doch auch das (Fehl-)Verhalten der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer selbst spielt bei Unfällen eine große Rolle. Dies hat der ACE bereits bei seiner Gründung erkannt und das Thema Verkehrssicherheit zum Satzungsauftrag gemacht. Aufklärung, Informationen und Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer müssen auch künftig eine große Rolle spielen, denn Verkehrssicherheit ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.

    Für eine aktive Verkehrssicherheitspolitik spricht sich der ACE seit seiner Gründung aus. Auf der Hauptversammlung im November 2019 hat sich der ACE als erster deutscher Autoclub – im Rahmen dieser aktiven Verkehrspolitik – für die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen ausgesprochen. Aus Verkehrssicherheitsaspekten spricht einiges dafür. Die Anzahl der Getöteten bei Geschwindigkeitsunfällen (Unfälle, bei denen mindestens eine beteiligte Person eine nicht angepasste Geschwindigkeit aufwies) auf Autobahnen war bislang auf den Strecken ohne Tempolimit höher als auf den Strecken mit Tempolimit.

    Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser positive Effekt nach der Einführung eines allgemeinen Tempolimits auch auf den 70% der bisher nicht tempolimitierten Streckenabschnitte eintreten wird. Ein Tempolimit hätte somit positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit und steht damit ganz im Zeichen der Vision Zero.

    Auch aus Gründen des Verkehrsflusses und der Reisezeiten spricht vieles für ein Tempolimit: Ein allgemeines Tempolimit harmonisiert den Verkehrsfluss auf Autobahnen, weil die Geschwindigkeitsdifferenzen reduziert werden. Bei hohen Verkehrsbelastungen nehmen zudem Unregelmäßigkeiten im Verkehrsfluss ab, was Staubildungen verhindern kann. Kollektiv entstehen so kaum Reisezeitverluste.

    Auf Bundes- und Landesstraßen kann durch die verstärkte Nutzung der Möglichkeiten, die das intelligente Management von Verkehrsflüssen und die Vernetzung zwischen Verkehrssystemen, -trägern und -teilnehmerinnen und -teilnehmern bieten, die Verkehrssicherheit erheblich verbessert werden. In diesem Zusammenhang ist die Ausweitung von Section Control ein wichtiges Instrument, um auch über längere Strecken die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Hierbei wird die Durchschnittsgeschwindigkeit von Autofahrerinnen und -fahrern über einen bestimmten Straßenabschnitt hinweg gemessen. Seit Januar 2021 läuft das einstige Pilotprojekt auf der B 6 in Niedersachsen nun im Regelbetrieb. In den Niederlanden, in Großbritannien, in Österreich und der Schweiz ist Section Control bereits eine anerkannte Maßnahme in Punkto Verkehrssicherheit.

    Auch das Potenzial der Assistenzsystemtechnik gilt es, vor allem für die Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer wie Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer, vollumfänglich auszunutzen. Der ACE sieht es zudem als zwingend erforderlich an, dass die Bundesregierung in den internationalen Gremien weiterhin darauf einwirkt,

    • dass die Notbremsassistenten von Lkw und Bussen dafür sorgen, dass diese vor einer Kollision vollständig zum Stehen kommen;
    • dass die Lkw- und Bus-Bestandsflotte mit Abbiegeassistenten nachgerüstet wird.

    Alkohol gehört zu den häufigsten Unfallursachen mit Todesfolge im Straßenverkehr. Nicht nur das Risiko selbst zu verunglücken, steigt, sondern auch das aller anderer Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Sog. Alkolocks können verhindern, dass ein Fahrzeug überhaupt von einer oder einem alkoholisierten Fahrerin oder Fahrer gestartet werden kann. Alkolocks lassen das Starten des Motors nur zu, wenn die Fahrerinnen und Fahrer eine Atemprobe in ein Mundstück abgeben. Steht der Fahrer unter Alkoholeinfluss, kann der Motor – bei Überschreitung eines zuvor festgelegten Grenzwertes – nicht gestartet werden. Alkolocks ergänzen, aber ersetzen keine Sanktionen. So könnten aber zahlreiche Unfälle unter Alkoholeinfluss verhindert werden.

    Der aktuelle Koalitionsvertrag bis 2025 sieht eine legalisierte Abgabe von Cannabis vor. Damit rücken dann auch Fragen nach den Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf die Verkehrssicherheit in den Vordergrund. Der Konsum von Cannabis beeinträchtigt die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer stark. Daher weist der ACE darauf hin, dass klar zwischen Konsum und Fahren zu trennen ist. Mit der angestrebten Liberalisierung muss nach Ansicht des ACE die Aufklärungsarbeit über die Wirkungsweise von Cannabis, insbesondere auch im Zusammenspiel mit Alkohol, in den Fokus der Verkehrssicherheitsarbeit gerückt werden.

      Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)

      • die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer für ein sicheres Miteinander im Straßenverkehr die Regeln ernst nehmen und dem Straßenverkehr zu jeder Zeit die volle Aufmerksamkeit schenken;

      im Rahmen der Digitalisierung

      • das Potenzial der Assistenzsystemtechnik voll ausgeschöpft worden sein;
      • Alkolocks in allen Fahrzeugen verbaut worden sein;
      • eine Ausweitung der streckenbezogenen Geschwindigkeitsmessung (Section Control) auf geeigneten Strecken auf Bundesautobahnen und Bundestraßen umgesetzt worden sein;
      • digitale Parkraumkontrolle eingeführt worden sein, um diejenigen zu belohnen, die ihr Fahrzeug richtig abstellen;
      • Ampelanlagen mit intelligenten Softwarelösungen ausgestattet sein, um einen an die Tageszeit und den Bedarf angepassten Verkehrsfluss zu ermöglichen;

      im Rahmen der Infrastruktur

      • der Ausbau von Radwegen erfolgt sein;
      • den schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern mehr Platz eingeräumt worden sein;
      • Umbauten an gefährlichen Kreuzungen vorgenommen worden sein;
      • Kreisverkehren vor Ampelanlagen der Vorzug gegeben worden sein, weil sie sicherer und übersichtlicher sind, die Fahrzeuge mit einer niedrigeren Geschwindigkeit fahren und Unfälle vermieden werden oder zumindest glimpflicher verlaufen;
      • entschärfte Leitplanken und flexible Tafeln aus Kunststoff auf Bundes- und Landesstraßen die Regel sein, um Motorradfahrer zu schützen;
      • längere Grünphasen für zu Fuß Gehende an Ampeln der demographischen Entwicklung Rechnung getragen haben;
      • geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Wildunfällen ergriffen worden sein, um so die Verkehrssicherheit auf Bundes- und Landesstraßen zu verbessern;
      • eine für Radfahrerinnen und Radfahrer von Autos getrennte Grünschaltung;

      im Rahmen der Ordnungspolitik

      • ein Tempolimit 130 km/h auf allen Autobahnen gelten;
      • ein Tempolimit von 30 km/h unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort dort eingeführt worden sein, wo es Argumente für einen langsameren Stadtverkehr gibt;
      • die Bußgelder bei sicherheitsrelevanten Vergehen, also Tempo-, Abstands- oder Überholverstößen, spürbar erhöht worden sein, um die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten zu senken;
      • der Bußgeldtatbestand ab 0,5 Promille für Kraftfahrerinnen und -fahrer – mit Ausnahme von Fußgängerinnen und Fußgängern – für alle, die am Straßenverkehr teilnehmen, gelten;
      • die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille auch für Radfahrer eingeführt worden sein;
      • in der Probezeit ein analog zum Alkohol geltender Grenzwert von 0ng/ml Blutserum (Cannabis) gelten und Cannabis in den Katalog der Unfallursachen aufgenommen werden;

      im Rahmen weiterer unfallverhütender Maßnahmen

      • verständliche und nachvollziehbare Geschwindigkeitsbegrenzungen die Regel sein;
      • eine Präventions- und Aufklärungskampagne zu den Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Fahrtauglichkeit durchgeführt werden;
      • der „holländische Griff“ im Lehrplan der Fahrschulen verankert sein, um Dooring-Unfälle zu verhindern;
      • das Personal für Verkehrsüberwachung, Kontrollen und Sanktionen aufgestockt worden sein;
      • bei Dunkelheit und schlechter Sicht reflektierende Elemente für alle Zweiradfahrerinnen und -fahrer für deren bessere Erkennbarkeit zur Pflicht geworden sein;
      • eine Schutzhelmpflicht für alle gelten, die auf Zweirädern unterwegs sind;
      • Maßnahmen zur Unfallverhütung bei Elektrokleinstfahrzeugen und anderen neuen Mobilitätsformen ergriffen worden sein;
      • Pedelec- und Fahrradsicherheitstrainings gefördert werden.

      Mobilitäts- und Verkehrserziehung

      Mobilitäts- und Verkehrserziehung ist eine übergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgabe. Kindergarten und Grundschule bereiten die Kinder auf die Herausforderungen im Straßenverkehr und die Gestaltung ihrer Mobilität vor, damit diese sich sicher und selbstständig im (Straßen-)Verkehr bewegen können. Hier geht es in erster Linie um Sicherheitserziehung. Gleichzeitig werden Kompetenzen vermittelt, die sie für eine sichere Verkehrsteilnahme brauchen: als Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrerinnen und Radfahrer, Mitfahrerinnen und Mitfahrer im Auto und Nutzerinnen und Nutzer von Bus und Bahn. Darüber hinaus ermöglicht Mobilitätserziehung den Kindern und Jugendlichen, sich mit ihren Mobilitätsbedürfnissen auseinanderzusetzen und diese auch kritisch zu hinterfragen.

      Im Straßenverkehr werden Kinder mit Anforderungen konfrontiert, denen sie nicht gewachsen sind. Aufgrund einer anderen Wahrnehmung können sie Situationen nur schlecht überblicken und einschätzen, daher nehmen sie den „erwachsenen“ Verkehr anders wahr. Deshalb gelten Kinder als die am stärksten gefährdete Gruppe von Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Sie können Geschwindigkeiten und Entfernungen beispielsweise noch nicht richtig einschätzen, weshalb sie sich aus Sicht erwachsener Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer häufig „irrational“ verhalten. Kinder sind zudem häufig passiv unterwegs. Das heißt, sie werden heutzutage häufiger als in den 70er Jahren mit dem Auto gebracht (Elterntaxi) und sind seltener und weniger alleine unterwegs. Wenn, dann bewegen sie sich vor allem in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld. Diese geringe Bewegung hat Auswirkungen auf die kognitiven und motorischen Fähigkeiten. Zur Vermeidung von Verkehrsunfällen und zur Entwicklung eines sicheren Verkehrsverhaltens benötigen Kinder demnach eine Reihe von Fähigkeiten, die sich erst Schritt für Schritt im Laufe der Kindheit und Jugend entwickeln. Kinder müssen lernen:

      • gefährliche Situationen sowie Absichten anderer Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu erkennen und vorherzusehen;
      • nach welchen Prinzipien der Verkehr abläuft und wodurch gefährliche Situationen entstehen können;
      • eine Aufmerksamkeit und Sensibilisierung im Straßenverkehr zu entwickeln.

      Um diese Fähigkeiten umsetzen zu können, benötigen Kinder u.a. verschiedene motorische Fertigkeiten, eine gute psychomotorische Koordination, einen bewussten Umgang mit der eigenen Mobilität im städtischen Umfeld sowie Kenntnisse im Bereich der Wahrnehmung mit allen Sinnen und deren Bedeutung für die Verkehrssicherheit.

        Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)

        • die klassische Verkehrserziehung dauerhaft und konstant an den weiterführenden Schulen um Aspekte der Umwelt-, Gesundheits- und Sozialerziehung erweitert worden sein;
        • Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Mobilitätserziehung nicht nur gelernt haben, sich sicher im Straßenverkehr fortzubewegen, sondern auch, dass Verkehr ein soziales System ist, das Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit hat. In diesem Sinne sollen Kinder und Jugendliche Mobilitätskompetenz erworben und somit gelernt haben, eigenständig mobil zu sein und verantwortungsbewusst ihre Mobilitätsentscheidungen zu treffen;
        • im Rahmen der Fußverkehrsstrategie die Forschung zu Kinder- und Jugendmobilität ausgeweitet worden sein.