DER ACE UND DIE VERKEHRSWENDE

Warum sich der ACE mit der Verkehrswende beschäftigt

Der Begriff „Verkehrswende“ und die damit verbundenen Konzepte haben mittlerweile Einzug in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs gehalten. Bis dahin war es ein eher kleinerer Kreis, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftige. Der ACE Auto Club Europa gehörte dazu.

Wir möchten diesen Prozess für unsere Mitglieder mitgestalten. Dabei geht es nicht mehr um die Frage, ob es eine Verkehrswende geben sollte oder nicht. Bedingt durch die steigenden Anforderungen an Klimaschutz, Verkehrssicherheit und Lebensqualität sowie den international geführten Wettbewerb um die effizientesten und innovativsten Mobilitätslösungen (s.u.) ist die Wende im Ver[1]kehr längst im Gange. Verkehr und Mobilität werden sich zugunsten von mehr Klima-, Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit verändern. Langfristig wird dies den Umstieg vom Auto mit Benzin- oder Dieselmotor auf das Auto mit emissionsfreien Antrieben bedeuten. Einige Menschen werden auch gänzlich auf Fahrrad, Bus und Bahn umsteigen.

Ziel muss es sein, dass am Ende alle Menschen von der Verkehrswende profitieren. Auch Autofahren muss durch die Verkehrswende komfortabler und sicherer werden. Wie dies möglich ist, wird in den folgenden Kapiteln aufgezeigt. Es gilt, die Menschen zu überzeugen und niemanden zurückzulassen.

Autoclub und Mobilitätsbegleiter

Für den ACE steht es völlig außer Frage, dass es eine Vielzahl an Situationen gibt, in denen die Nutzung des eigenen Autos aus den unterschiedlichsten Gründen sinnvoll ist. Wozu wir allerdings ermutigen wollen, ist der bewusstere Umgang mit dem Auto sowie der Blick auf mögliche Alternativen. Wir verstehen uns als Mobilitätsbegleiter, der seine Mitglieder in dieser Wende-Zeit informiert, berät und an ihrer Seite steht. Wir gestalten, wir fordern, wir kritisieren und wir verfolgen Ziele.

Löwenzahnschirmchen formen sich zu Auto
© SerrNovik / Fotolia.com

Keine der Maßnahmen, deren Umsetzung wir fordern, kann für sich alleinstehend jene Probleme lösen, derentwegen die Verkehrswende notwendig ist. Jede Forderung ist Teil eines Maßnahmenbündels. Bei deren Umsetzung sollten immer zuerst Alternativen („pull“) geschaffen werden, bevor Maßnahmen („push“) zur Veränderung der bisherigen Verhaltensmuster wirksam werden. Üblicherweise wird diese Strategie „push and pull“ genannt.


Warum braucht es eine Verkehrswende in Deutschland?

Folgende Notwendigkeiten machen eine Verkehrswende erforderlich: Klimaschutz, Megatrends und Leitmärkte.


1. Klimaschutz

Das Übereinkommen von Paris, welches am 12. Dezember 2015 von über 150 Staats- und Regierungschefs beschlossen worden ist, hat das Ziel, die Erderwärmung unter 1,5 °C zu halten. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens verpflichten sich die Staaten, die Wirtschaft klimafreundlich zu verändern und so den Ausstoß von CO2 bis 2030 verbindlich zu senken. Um das zu erreichen, hat die Europäische Union ihr Klimaschutzziel für das Jahr 2030 auf -55 % gegenüber 1990 festgelegt und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 fixiert. Beide Ziele wurden von der Europäischen Union auch international im Rahmen des Pariser Übereinkommens völkerrechtlich verbindlich hinterlegt.

Infolge des Pariser Klimaschutzabkommens wurde in Deutschland das Bundes-Klimaschutzgesetz erlassen. Dort ist festgeschrieben, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 65% gegenüber dem Jahr 1990 reduzieren muss. Für den Verkehr ergibt sich bis 2030 eine jährliche Minderungspflicht von 48% gegenüber dem Jahr 1990. Dies wird nicht ohne gravierende Veränderungen gelingen.

    Aus für Verbrenner?

    Wird Ende des Verbrennungsmotors eingeleitet? Wir geben eine Übersicht, wann Staaten weltweit das Auslaufen von Benzin- und Diesel-Pkw angekündigt haben.

    Die Zulassungsverbote in der Übersicht
    Menschen Spielen mit Spielzeugautos
    © Emmerling / ACE

    2. Megatrends und Leitmärkte

    Die Automobilindustrie ist drei weltweit wirksamen Megatrends ausgesetzt, die sie grundlegend verändern:

    • die bereits beschriebene Notwendigkeit einer Dekarbonisierung des Verkehrssektors und damit eines Umstiegs auf alternative Antriebe bzw. Kraftstoffe bei Kraftfahrzeugen,
    • die fortschreitende Digitalisierung mit Auswirkungen auf Fahrzeugproduktion und Mobilitätsangebote und
    • eine starke Verschiebung von Automobilnachfrage und -produktion zwischen den wichtigsten Absatzmärkten.

    Für die deutsche Automobilindustrie reduzieren sich die Absatzmärkte zusehends. Rund 60 % des deutschen Pkw-Exports gehen mittlerweile in Länder und Regionen, in denen ab 2035 keine Benziner und Diesel mehr neu zugelassen werden sollen. Spätestens 2040 sind es wahrscheinlich schon 80 %. Angesichts der Tatsache, dass deutsche Hersteller im Jahr 2019 weltweit mehr als 16 Millionen Pkw produzierten und nur 2,5 Millionen Pkw auf dem deutschen Markt verkauften, wird deutlich: Es ist auch ohne die notwendige Dekarbonisierung des Verkehrssektors eine zeitnahe Transformation der deutschen Automobilindustrie notwendig, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

    Die Digitalisierung verändert die Produktionsprozesse in der Automobilindustrie durch Flexibilisierung und Dezentralisierung der Produktion, Verkürzung der Modellzyklen und neue Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeitenden. Die Produktpalette des Sektors wird erweitert durch vernetztes und autonomes Fahren und neue Mobilitätsdienstleistungen.

    Die globale Automobilnachfrage hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschoben, was den deutschen Automobilsektor wegen seiner hohen Exportquote und der vielen internationalen Produktionsstätten und Joint Ventures erheblich betrifft. Während sie sich in Europa kaum verändert hat und in in Nordamerika sogar rückläufig ist, ist China der größte Automarkt der Welt. Die Entwicklung des chinesischen Marktes und der Rahmenbedingungen sind für die Automobilindustrie weltweit wichtig.

    China ist der globale Wachstumsmotor der Autobranche, wo deutsche Marken bis zu 40% ihrer Produktion absetzen. Allein im Jahr 2021 wurden in der Volksrepublik mehr als 21 Millionen Neuwagen zugelassen. Marktführer mit einem Anteil von rund 11% (2021) ist der VW-Konzern. Aber: die Corona-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigen der Automobilbranche die Grenzen ihres Wachstums auf. Lieferketten reißen, Absatzmärkte wackeln. Die Hersteller sind gezwungen, sich weitere Optionen – neben den stabilen Märkten in Europa und in den USA – zu suchen.

    Zu alledem verkünden Regierungen weltweit konkrete Termine, ab denen Autos mit fossilen Antriebstechnologien nicht mehr zugelassen werden sollen. Damit werden der deutschen Automobilindustrie Absatzmärkte für ihr derzeit wichtigstes Produkt verloren gehen.

    Mann stellt nach einer Panne ein Warndreieck auf
    © Tschovikov / ACE

    3. Verkehrssicherheit

    Die Verkehrssicherheit gehört zum Satzungsauftrag des ACE und ist damit Leitgedanke unseres Handelns. Zur Verkehrssicherheit gehören sämtliche Maßnahmen und Aktivitäten, die zur Verbesserung der Sicherheit aller, die am Straßenverkehr teilnehmen beitragen. Im Vordergrund stehen dabei das menschliche Verhalten ebenso wie die Fahrzeugtechnik, die Verkehrsinfrastruktur sowie das Verkehrsrecht. Oberste Maxime des politischen Handelns muss dabei die Vision Zero sein. Diese Zielsetzung sollte auch für Verkehrsplanung und -entwicklung handlungsleitend sein.

    Die Mobilität der Zukunft bietet – nicht zuletzt durch die Digitalisierung – viele Chancen für die Verkehrssicherheit. Gleichzeitig ist sie hochkomplex: Durch autonome Fahrzeuge, die sich untereinander vernetzen und mit der Infrastruktur kommunizieren können. Durch modernste Sensorik und Künstliche Intelligenz (KI) können diese vorausschauend das Verhalten der Verkehrsteilnehmer erkennen. Zudem können neue Mobilitätsdienstleistungen zur Entlastung der Innenstädte und Pendlerstrecken und zur Reduzierung von Lärm, Feinstaub und CO2-Emissionen beitragen. Sie können eine Ergänzung zur bedarfsgerechten individuellen Mobilität sein. Damit steigen gleichzeitig auch die Anforderungen an die Verkehrssicherheit. Zusätzliche Verbesserungen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind daher notwendig. Neues Verhalten im Straßenverkehr muss erlernt werden. Somit müssen Verkehrswende und Verkehrssicherheit Hand in Hand gehen.

    Familie läuft durch einen herbstlichen Wald
    © Halfpoint - stock.adobe.com

    4. Lebensqualität

    Deutschlands Innenstädte kämpfen gegen Luftverschmutzung. Fahrverbote auf vereinzelten Strecken lösen diese Probleme jedoch nicht. Ein Teil des Verkehrs wird damit lediglich in andere Straßenzüge verlagert. Auch die Lärmbelastung kann mit den aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln nicht wirksam genug reduziert werden. Hinzu kommt der enorme Platzbedarf privater Fahrzeuge, die durchschnittlich nur 60 Minuten am Tag gefahren werden.

    Immer stärker genutzten Alternativen, wie beispielsweise Fahrrädern, fehlt hingegen der Platz. Die Umnutzung der heute durch Pkw blockierten Flächen, beispielsweise als Grünanlage oder Fahrradweg, sowie die Reduzierung von Verkehr werden zur Vermeidung von Lärm- und Luftbelastungen und damit zu einem starken Zuwachs an Lebensqualität in Großstädten und städtischen Räumen führen.

    Viele der Antworten auf die diskutierten Fragen werden in den urbanen Räumen bereits entwickelt und umgesetzt. Sie auf den ländlichen Raum oder suburbane Gebiete zu übertragen, ist nicht immer eins zu eins möglich. Hier werden andere maßgeschneiderte Angebote und Lösungen benötigt. Es ist wichtig, die Entwicklung von Mobilitätslösungen in Großstädten und städtischen Räumen voranzutreiben und gleichzeitig zwischen den suburbanen Gebieten und Städten sowie für den ländlichen Raum passende Lösungen zu finden.

    Die Notwendigkeiten für die Verkehrswende sind vielfältig. Gerade vor dem Hintergrund der Aspekte des Klimaschutzes und der Mobilitäts-Megatrends ist eine Antriebswende der deutschen Automobilindustrie unverzichtbar. Sie hat eine zentrale Rolle innerhalb der deutschen Wirtschaft, ihr Anteil an Wachstum und Beschäftigung – und damit am Wohlstand in unserem Land – ist groß. Um dieser Verantwortung auch in Zukunft gerecht zu werden, ist die Transformation zwingend erforderlich. Die Frage ist also nicht, ob die Verkehrswende sinnvoll ist, sondern wie sie sinnvoll gestaltet werden kann.