RAD- UND FUSSVERKEHR

1. Radverkehr

Es gibt viele gute Gründe, die Wege in der Stadt mit dem Fahrrad zurückzulegen. Häufig ist es das schnellste Verkehrsmittel, denn man steht nie im Stau, darf auf dem Radweg an den wartenden Autos vorbeifahren, es bringt einen direkt von Tür zu Tür, die zeit- und nervenraubende Parkplatzsuche entfällt. Fahrrad fahren hält fit und es wirkt gesundheitsfördernd, wenn man es regelmäßig tut.

Und auch für die Verkehrswende und für lebenswertere Städte ist das Radfahren ein wichtiger Faktor. Die Verlagerung von Pkw-Fahrten auf das Rad ist hier ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele. Elektroräder und Lastenräder erweitern und erleichtern die Möglichkeiten des Umstiegs.

Laut der Studie MiD 2017 hat der Anteil funktionstüchtiger Räder in Deutschlands Haushalten seit 2002 zugenommen: „Hochgerechnet ergibt sich eine Flotte von über 72 Millionen Fahrrädern, davon mehr als 4 Millionen mit Stromunterstützung. Die gesamte Flotte ist seit 2002 um über 5 Millionen Stück gewachsen.

Auch der Anteil des Radfahrens am „Modal Split“, also der prozentuale Anteil der Fahrradnutzung am gesamten Verkehrsaufkommen, hat sich verändert: er stieg von 9% im Jahr 2002 über 10% in 2008 auf 11% in 2017.

Eine Befragung des Verkehrsministeriums im Jahr 2021 kommt zu der Schlussfolgerung, dass das Fahrrad bzw. Pedelec im Verkehrsmittelvergleich das Fortbewegungsmittel mit dem höchsten Wachstumspotential ist: „In Zukunft wollen es 41% der Menschen im Alter zwischen 14 und 69 Jahren häufiger nutzen.

Und trotzdem, auch das ist ein Ergebnis der MiD-Studie, bleibt das Auto mit weitem Abstand Verkehrsträger Nummer eins. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von Gründen und Zusammenhängen, die das Fahrrad zeitweise nicht zu einer wirklichen Alternative zum Auto machen. Aber es gibt eben auch ebenso viele Situationen, in denen es eine echte Alternative ist.

Mit welchen Impulsen könnten sich die Rahmenbedingungen für mehr Radverkehr in Deutschland verbessern? Wie kann man auch die Menschen an den Stadträndern, in den Kleinstädten, ländlichen und bergigen Regionen, wo die Distanzen viel länger sind, dazu bringen, die Nutzung von Fahrrädern häufiger zu erwägen? Viele Kommunen, einige Bundesländer und der Bund haben bereits integrierte Verkehrskonzepte oder Radverkehrspläne und Förderprogramme aufgelegt. Und auch die im Zuge der Novellierung der Straßenverkehrsordnung festgelegten Regelungen im Bereich des Radverkehrs sind ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Radverkehrs.

Dennoch ist im Bereich des Radverkehrs noch viel zu tun. Laut Fahrrad-Monitor-Deutschland 2021, der von der Bundesregierung gefördert wird, besteht hinsichtlich der Fahrradfreundlichkeit noch Verbesserungspotential. Immerhin das Sicherheitsgefühl der Radfahrerinnen und Radfahrer hat sich seit 2017 um 10% verbessert: 63% geben an, dass sie sich sehr oder eher sicher fühlen.

Will man jedoch, dass die Menschen in Deutschland flexibler in Bezug auf ihr Mobilitätsverhalten sind und regelmäßig aufs Rad umsteigen, muss man auch die Bedingungen für den Radverkehr maßgeblich verbessern. Solange das Radfahren in Deutschland vielerorts unsicher, unkomfortabel und vor allem spürbar dem Pkw-Verkehr untergeordnet ist, nimmt man ihm sein in vielerlei Hinsicht großes Potenzial und seine Attraktivität. Eine sichtbar fahrradfreundliche Infrastruktur (Fahrradwegenetz, sichtbare Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Raum) kann auch eine wichtige symbolische Funktion haben.
 

Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)

  • es einen signifikanten Ausbau von Radwegen, Radschnellwegen und Fahrradstraßen (Radverkehrsnetz) sowie sicheren Fahrradabstellanlagen und -parkhäusern gegeben haben;
  • Radverkehrsplanung und -förderung auf allen Ebenen eine gesetzliche Pflichtaufgabe sein (integrierte Verkehrsentwicklungspläne in den Kommunen, Ländern und auf Bundesebene im Bundesverkehrswegeplan);
  • Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit bekommen haben, um die Verkehrsführung nach den Maximen Sicherheit, Klimaschutz und Gesundheit zu gestalten;
  • die für den Radverkehr verantwortlichen Verwaltungseinheiten auf allen Ebenen personell verstärkt worden sein;
  • die Mittel für den Infrastrukturausbau langfristig und planbar zur Verfügung stehen;
  • Förderprogramme für den Radverkehr flexibel gestaltet sein, damit die zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft werden können und nicht verfallen;
  • Ausbaumaßnahmen für unzureichende Radwege auch dann gefördert worden sein, wenn diese noch recht neu sind;
  • nicht nur der Bau, sondern auch die Pflege und Instandsetzung von Radinfrastruktur dauerhaft und nachhaltig gefördert werden;
  • man bei der Planung von Infrastruktur stets unterschiedliche Zielgruppen im Blick haben und idealerweise direkt in die Planung einbeziehen (routinierte „mutige“ Radfahrerinnen und Radfahrer, unerfahrene potenzielle Radfahrerinnen und Radfahrer, Kinder und Jugendliche, Ältere, Fahrradpendlerinnen und -pendler);
  • neue Standards zur Mindestbreite von Radwegen festgelegt worden sein, denn dass dieser bisher bei 1,50 bis 2 m liegt und es in zahlreichen Städten noch Radwege mit geringeren Breiten bis hinab zu 0,80 m oder, an Engstellen, sogar nur 0,60 m gibt, ist inakzeptabel:
    - dabei geht es aus Sicht des ACE nicht darum, dass das Nebeneinanderfahren von Radfahrerinnen und -fahrern ermöglicht wird,
    - zum Vorbeifahren, für mehrspurige Lastenfahrräder, für den Mischverkehr mit elektrischen Scootern ist eine Mindestbreite von mindestens 2,20 m als Standard festzulegen,
    - hierfür müssen auch Flächen, die bislang vom Autoverkehr zum Parken und Fahren genutzt wurden, baulich oder zunächst durch Markierungslösungen umverteilt werden,
    - keinesfalls sind diese neuen Standards zulasten des Fußverkehrs vorzunehmen;
  • wo möglich, Pkw- und Radverkehr voneinander getrennt werden:
    - in den Städten sollte es Parallelrouten zu den Hauptverkehrsstraßen geben,
    - wo dies nicht geht, sollten zur Vermeidung von Dooring- oder Parkunfällen und Unfällen mit dem fließendem Verkehr Sicherheitstrenntreifen den Schutz- bzw. Radfahrstreifen vom (ruhendem) Kraftfahrzeugverkehr trennen;
  • Radfahrerinnen und -fahrer Kreuzungen prinzipiell auf baulich getrennten Radwegen erreichen;
  • Knoten wie Einmündungen und Kreuzungen bspw. durch eine flächige rote Markierung besser erkennbar gemacht worden sein;
  • der Winterdienst auch auf Rad- und auf öffentlichen Gehwegen räumen;
  • Schutzstreifen außerorts ermöglicht worden sein, denn Modellprojekte haben gezeigt, dass im Vergleich zu der Situation, in der kein Schutzstreifen markiert ist, das Sicherheitsempfinden der Radfahrerinnen und -fahrer steigt, während bei Autofahrerinnen und -fahrern eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Radverkehr zu verzeichnen ist:
    - innerorts und außerorts sollten Schutzstreifen für den Radverkehr dort eingerichtet werden, wo abgetrennte Radverkehrswege oder geschützte Radfahrstreifen aufgrund der örtlichen Bedingungen nicht umsetzbar sind;
  • das Potenzial für Innovationen, das es im Bereich des Radverkehrs vielfältig gibt, genutzt und gefördert werden:
    - Institutionen, die Kommunen, Länder, Planungsbüros und Verbände im Bereich der Radverkehrsförderung fortbilden, sollten zugleich informieren und vernetzen können, damit Innovationen bekannt werden und die einschlägige Kompetenz der Akteure in Planung und Politik weiter steigt,
    - hierfür müssen diese Institutionen logistisch und finanziell unterstützt werden;
  • es eine bundesweit einheitlich geregelte kostenlose Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln geben.

Exkurs: Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof in Eberswalde

Das Fahrradparkhaus Eberswalde, das im Frühjahr 2022 mit dem Deutschen Verkehrswendepreis der Allianz pro Schiene ausgezeichnet wurde, gilt als ein Leuchtturm der Verkehrswende. Es bietet eine sichere, wettergeschützte und damit attraktive Abstellmöglichkeit für Fahrräder am Bahnhof. Es steigert die Attraktivität der Alternativen zum MIV und begünstigt so eine Verkehrsverlagerung. Es wurde in nahezu reiner Holzbauweise errichtet. Die Photovoltaikanlage auf dem begrünten Dach erzeugt Strom für die Beleuchtung und das Laden der Batterien von E-Bikes. Das 1.300 Quadratmeter große Gebäude hat Platz für 604 Fahrräder. Im Erdgeschoss stehen 232 barrierefreie Stellplätze als „Einzel- und Doppelparker“, sowie Fahrradboxen und Stellplätze speziell für Lastenräder zur Verfügung. Im Obergeschoss existieren 372 Stellplätze als „Einzel- und Doppelparker“, welche über eine Rampe erreicht werden können.

2. Fußverkehr

Auch für das Zufußgehen gibt es viele gute Gründe. Man tut Gutes für seine Gesundheit, denn es kann Krankheiten und Depressionen vorbeugen helfen und hilft, Übergewicht zu reduzieren. Zufußgehen ermöglicht Begegnung, Kommunikation, stärkt die Nachbarschaft und den sozialen Zusammenhalt. Man schont durch Zufußgehen die Umwelt, weil es hilft, viele kurze Autofahrten zu vermeiden, Treibhausgase, Luftschadstoffe und Lärm zu reduzieren.

Attraktive Bedingungen für den Fußverkehr schaffen lebendige Innenstädte und Wohnquartiere, erhöhen die Aufenthaltsqualität, ermöglichen Begegnung und Kommunikation. Städte und Gemeinden profitieren von gehenden und flanierenden Menschen. Sie beleben Straßen und Plätze und nutzen die Nahversorgung, die lokale Wirtschaft und Gastronomie. Ohne Fußverkehr sind attraktive Städte mit Lebensqualität gar nicht denkbar.

Der Fußverkehr ist Teil einer jeden Wegekette und damit ein Basisverkehrsmittel. Wird er gefördert, unterstützt das besonders Verkehrsmittel des Umweltverbundes. Barrierefreie, sichere und kurze Wege erhöhen nicht nur Effizienz und Attraktivität des Fußverkehrs, sondern auch der öffentlichen Verkehrssysteme. Sie können die Auslastung von Bussen und Bahnen deutlich verbessern.

Eine gute Fußverkehrsinfrastruktur verbessert zudem die soziale Teilhabe für Kinder, Arme und ältere Menschen.

Dem steht gegenüber, dass die Bedingungen des Fußverkehrs oftmals und vielerorts schlecht sind. Weil Fußgängerinnen und Fußgänger den fließenden motorisierten Verkehr möglichst wenig stören sollen, hasten sie über Kreuzungen, sehen sich weiten Umwegen bis zur nächsten Ampel ausgesetzt und quetschen sich auf engen Bürgersteigen vorbei an (illegal) parkenden Autos, Radfahrerinnen und Radfahrern, nachlässig abgestellten E-Scootern, E-Rollern und herumliegenden Leihrädern. Hinzu kommen Lärm, hohe Schadstoffkonzentrationen, zu schmale Wege, schlechte Beleuchtung sowie mangelnde Sicherheit. Auch ist die Barrierefreiheit vielerorts nicht umgesetzt.

Die Aufmerksamkeit für den Fußverkehr muss – auch auf politischer Ebene – erhöht werden. Dass das Thema in vielen Kommunen keine eigene Zuständigkeit hat und vielerorts eher am Rande mit abgehandelt wird, wird seiner Bedeutung und Attraktivität nicht gerecht. Zwar ging im Jahr 2021 die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Fußgängerinnen und Fußgänger zurück auf 343 (- 8,8 % ggü. 2020). Allerdings ist das vom Ziel der Vision Zero noch weit entfernt.

Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und Jugendliche. In den Wintermonaten ist das Risiko besonders hoch, weil hier die Sichtverhältnisse schlechter sind.
 

Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)

  • die Bedeutung des Fußverkehrs in Deutschland und der Fußverkehrsanteil deutlich erhöht worden sein;
  • Fußverkehr auf allen Ebenen – von der Gesetzgebung bis hin zur Umetzung konkreter Infrastruktur in den Städten und Gemeinden – mehr Beachtung finden:
    - Kommunen sollten eine größere Eigenständigkeit bekommen, Maßnahmen vor Ort umzusetzen (z.B. Tempo 30 anzuordnen oder temporäre Spielstraßen einzurichten);
  • Fußverkehr – für alle sichtbar – in den Verkehrsressorts von Bund, Ländern und Kommunen verankert worden sein:
    - die Interessen des Fußverkehrs sollten grundsätzlich bei allen verkehrs- und stadtplanerischen Maßnahmen mitbedacht werden,
    - jede Kommune sollte Jemanden haben, der für die Belange der Fußgängerinnen und Fußgänger zuständig ist;
  • Zufußgehen in Deutschland sicherer geworden sein und langfristig (tödliche) Unfälle gänzlich verhindert werden (Vision Zero):
    - mehr sichere Querungen über Fahrbahnen,
    - Vermeidung von Umwegen und Unterführungen,
    - häufigeres und längeres Grün für Fußgängerinnen und Fußgänger an Ampeln,
    - „Grüne Wellen“ für Fußgängerinnen und Fußgänger zur Vermeidung von Zwangspausen auf Mittelinseln,
    - konsequente Anwendung von Schulwegsicherungsplänen,
    - Beleuchtung in der dunklen Jahreszeit, nachts und an Querungsstellen zur Fahrbahn,
    - bessere Qualität der Bürgersteige und an Überquerungsstellen abgesenkte Bordsteine,
    - vorrangiger Winterdienst auf Gehwegen – insbesondere an Bushaltestellen, auf Brücken und Treppen,
    - an Baustellen sind die Wege breit genug bzw. sind Ersatzwege sicher von der Fahrbahn abgetrennt;
  • für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen die barrierefreie Erreichbarkeit und Nutzbarkeit von Versorgungsangeboten und Dienstleistungen Realität geworden sein;
  • Kinder- und Jugendlichenmobilität ein besonderes – mit entsprechender Forschung unterlegtes – Augenmerk bekommen haben, die sich nicht nur auf die Schulwegplanung bezieht;
  • Versorgung, Verwaltung und Dienstleistungen auf kurzen Wegen und barrierefrei erreichbar sein;
  • die Gehwege von abgestellten Fahrrädern und Rollern befreit worden sein, indem es für diese extra Abstellanlagen gibt;
  • die Pkw-Dichte in den Großstädten zugunsten der Fußgängerinnen und Fußgänger reduziert worden sein;
  • die Lebensqualität der Menschen im Mittelpunkt der Planungen stehen und Straßen und Plätze zu Orten gemacht worden sein, die zum Gehen und Aufhalten einladen.