In Deutschland hat der Pkw einen hohen Stellenwert
In einem Land, in dem die Bedeutung der Automobilindustrie für dessen Wirtschaftskraft so groß ist, ist das nicht verwunderlich. Das Auto ist in Deutschland für viele Menschen nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern es hat etwas mit ihrer nationalen Identität zu tun. Das in Deutschland produzierte Auto steht sinnbildlich für Zuverlässigkeit und Qualität, für Ingenieurskunst und technische Perfektion, für Exportstärke und Wirtschaftsmacht. Pioniere wie Carl Benz und Ferdinand Porsche, die globale Ikone VW Käfer – sie alle prägen die Beziehung der Deutschen zum Auto.
So hält trotz Klimakrise die Nachfrage nach verbrauchsstarken und immer höher motorisierten Pkw in Deutschland an, auch weil große Autos – gerade im beruflichen Zusammenhang – noch immer als Statussymbol gelten.
Inzwischen ist laut KBA fast jeder zehnte zugelassene Pkw ein SUV. Sie sind eines der wenigen Fahrzeugsegmente, in denen der Bestand in 2021 gestiegen ist. Die traditionell größten Segmente Kompaktklasse, Kleinwagen und Mittelklasse, schrumpfen dagegen. Das Segment der oftmals spritschluckenden SUVs war selbst im April 2022, als die Zulassungszahlen aufgrund von Lieferengpässen in der Automobilindustrie in allen Segmenten niedrig waren, mit 27,9% erneut das anteilsstärkste Segment.
Pkw emittieren zwar heute im Durchschnitt weniger Treibhausgase und Luftschadstoffe als noch 1995. Die spezifischen Emissionen (Emissionen pro Verkehrsleistung) des Treibhausgases CO2 sanken bei Pkw um knapp 5 %. Aber das Mehr an Verkehr hebt diese Verbesserungen zum Teil wieder auf. Denn die Fahrleistung der Pkw hat zwischen 1995 und 2019 um etwa 20,5% zugenommen, auch im Pandemiejahr 2020 lag die Fahrleistung noch 16,5% über dem Wert von 1995. Der wachsende Pkw-Verkehr hebt also den technischen (umwelt- und klimaschonenden) Fortschritt wieder auf.
Welchen Stellenwert das Auto für den Einzelnen hat, ist häufig abhängig davon, wo jemand lebt, wie seine Mobilitätsbedürfnisse aussehen, wie gut die Verkehrsinfrastruktur vor Ort ist, wie das Mobilitätsverhalten sozialisiert wurde7 , ob es allein um das „Fortkommen“ oder aber um das „Autofahren“ (als Statussymbol und als Gefühl von Freiheit) geht. Bei Letzterem steht das unabhängige, selbstbestimmte Selbstbewegen eines (möglichst großen) Fahrzeugs im Vordergrund.
Laut MiD 20178 ist die Alltagsmobilität insbesondere in den jüngeren Generationen nicht mehr ganz so eindeutig vom Auto geprägt. So verringert sich der Anteil des Pkw-Führerscheinbesitzes vor allem in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen. In den weiteren Altersgruppen unter 50 Jahren geht der Führerscheinbesitz in geringem Umfang ebenfalls zurück. Unter den 50- bis 60-Jährigen bleibt er stabil. Bei den Seniorinnen und Senioren überschreitet er dagegen inzwischen die 80%-Marke. Vor allem außerhalb der Städte bleibt das Auto, insbesondere beim Blick auf die Kilometerleistung, mit großem Abstand Verkehrsträger Nummer eins.
Nun verkehrt sich in den Großstädten, städtischen Räumen und Metropolregionen Deutschlands die Freude am Fahren in ihr Gegenteil – Freiheit, Flexibilität und Geborgenheit des eigenen Fahrzeugs gehen verloren, die „Selbst-Bewegung“ endet zunehmend im Stau und Stress. Angesichts fehlender Parkplätze, verstopfter Straßen und Zufahrtsbeschränkungen, Lärm- und Umweltbelastungen ist ein Umdenken im Mobilitätsverhalten eines jeden Einzelnen erforderlich und – wo es geht – der Umstieg hin zum ÖPNV9 oder auf das Fahrrad wünschenswert.
Wir alle sind mobil unterwegs. Aber eben weil Mobilität viele verschiedene Facetten hat und wir alle unterschiedliche Bausteine von Mobilität nutzen, ist es für uns Anlass, Mobilität genauer zu betrachten, zu beurteilen und Optimierungen vorzuschlagen.
Dem ACE geht es selbstverständlich nicht darum, Pkw-Besitz und -Nutzung zu verurteilen. Es steht völlig außer Frage, dass es eine Vielzahl an Situationen gibt, in denen die Nutzung des Autos aus den unterschiedlichsten Gründen alternativlos ist. Vor allem in den ländlichen Regionen ist das Auto noch oft unverzichtbar.
Wozu wir ermutigen wollen, ist der bewusstere Umgang mit dem Auto, der Blick auf mögliche Alternativen. Denn von der gesteigerten Nutzung dieser Alternativen profitieren am Ende alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, auch diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind. Durch das geringere Verkehrsaufkommen können sie entspannter und sicherer mit weniger Staus und Behinderungen an ihr Ziel kommen.
Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)
- ein gesamtgesellschaftlicher Mentalitätswandel stattgefunden haben, der bewirkt, dass das eigene Auto als Statussymbol ausgedient hat und die Menschen sich täglich und bewusster für bzw. gegen ein bestimmtes Verkehrsmittel entscheiden;
- es gelungen sein, dass Menschen ihren Pkw-Besitz an ihren tatsächlichen persönlichen Bedarf angepasst haben – dazu gehört die Anzahl der Autos im Haushalt und auch die Größe, Schwere und Leistung dieser;
- deutlich weniger Autos auf den Straßen unterwegs sein;
- bei den vorhandenen Pkw solche mit alternativen Antrieben die Straßen dominieren;
- Automobilhersteller das CO2-Flottenziel einhalten;
- die Kfz-Steuer reformiert, umgesetzt und nur saubere Antriebe gefördert werden;
- das Problem der durch Verbrennungsmotoren verursachten zu hohen Stickstoffdioxid-Belastung (NOx) in Großstädten und die damit einhergehenden Konsequenzen von Fahrverboten, Gesundheits- und Umweltbelastungen beseitigt sein;
- der Platz insbesondere in der Stadt nicht mehr autogerecht, sondern zugunsten des Fuß- und Radverkehrs und mehr Lebensqualität umverteilt worden sein;
- der Umstieg hin zum ÖPNV und zur Eisenbahn
- auch auf längeren Strecken – eine attraktive Alternative zum eigenen Auto geworden sein;
- die Nutzung des Fahrrades eine attraktive, sichere Alternative zum eigenen Auto geworden sein;
- die strukturelle Verzahnung der Mobilitätsangebote zwischen dem ländlichen Raum und Städten erfolgt sein
Arbeitspapier als Download (PDF)
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Stellenwert des Autos im Einzelnen