Berlin (ACE) – Nach dem Wegfall der coronabedingten Einschränkungen ist die Mobilität fast wieder auf dem Intensitätsniveau wie vor der Pandemie. Die Auslastungen von Straßen, Radwegen, Bahn- und Flugstrecken steigen stetig und auch die Nutzung des ÖPNV zieht wieder an. Zudem haben sich einige Rahmenbedingungen verändert, politische Entscheidungen haben Weichen gestellt und Innovationen sind auf dem Vor- oder Durchmarsch.
Zum 61. Verkehrsgerichtstag vom 25. bis 27. Januar 2023 in Goslar hat der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter, Stellungnahmen zu insgesamt vier Arbeitskreisen formuliert, die den juristischen Herausforderungen immer anspruchsvoller werdender Mobilitätsbedürfnisse zur Klärung verhelfen sollen.
Stellungnahmen und Forderungen des ACE zu den folgenden Arbeitskreisen wurden vorgelegt:
• AK I: „Fahrzeugdaten“
ACE-Forderung: Zugriff auf Fahrzeugdaten eindeutig regeln
• AK II: „Halterhaftung bei Verkehrsverstößen: Ein Beitrag der Verkehrssicherheit?“ ACE-Forderung: Halterhaftung einführen
• AK III: „KI-Haftung im Straßenverkehr / Haftung beim autonomen Fahren“
ACE-Forderung: Eindeutige Entschädigungsregelungen bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen festlegen
• AK V: „Auf der Suche nach geltenden und erforderlichen Grenzen für E-Scooter, Fahrräder & Co.“
ACE-Forderung: Promillegrenze vereinheitlichen, Bußgelder anheben
Die einzelnen Presseinformationen zu diesen Arbeitskreisen folgen jeweils im weiteren Textverlauf.
Weitere Informationen:
>> Alle ausführlichen Stellungnahmen sowie weitere Informationen rund um den ACE auf dem 61. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar finden Sie hier.
>> Politische Positionen des ACE
Pressemitteilung
Zum AK I: „Fahrzeugdaten“:
Zugriff auf Fahrzeugdaten eindeutig regeln
Berlin (ACE) – Moderne Fahrzeuge sammeln bereits jetzt eine Vielzahl von Daten, die zum Betrieb des Fahrzeugs notwendig oder sinnvoll sind. Der technische Fortschritt, insbesondere bei der Entwicklung teilautonomer und autonomer Systeme, wird dafür sorgen, dass die Menge der gesammelten Daten weiter zunimmt. Bereits jetzt ist in vielen Fahrzeugen eine Umfeldüberwachung durch Videoaufzeichnungen eingebaut.
Der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter, fordert mit Blick auf den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher die sichere Gewährleistung, dass ausschließlich Berechtigte Zugriff auf die durch ein Fahrzeug gesammelten Daten erhalten. Deshalb muss auch ein unbefugter Eingriff von außen in die gesammelten Daten ausgeschlossen werden. Der ACE fordert die Bundesregierung und die Europäische Union daher auf, spezifische Regelungen für Fahrzeuge zu treffen, die den Interessen verschiedener Datennutzenden aus der Versicherungswirtschaft, der Automobilindustrie, des Daten- und Verbraucherschutzes, der Polizeibehörden sowie der Wissenschaft gerecht werden.
Felix Müller-Baumgarten, Fachgebietsleiter Verkehrsrecht und ACE-Syndikusrechtsanwalt, führt aus: „Bei allen Vorteilen von gesammelten Daten in der Unfallprävention, der Verkehrssicherheit, dem Verkehrsfluss und der Stauprognose, aber auch für polizeiliche Ermittlungen muss stets gelten: Das persönliche Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher hat Priorität! Es bedarf deshalb klarer, transparenter und verständlicher juristischer Regeln, wem welche Befugnisse hinsichtlich des Zugriffs auf Fahrzeugdaten eingeräumt werden. Gleichermaßen transparent müssen Regeln aufgestellt werden, wie die gesammelten Daten verwendet werden dürfen. Auch hier muss das individuelle Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern voranstehen.“
>> Die ausführliche ACE-Stellungnahme zum AK I finden Sie hier
Pressemitteilung
Zum AK II: „Halterhaftung bei Verkehrsverstößen: Ein Beitrag der Verkehrssicherheit?“:
Halterhaftung auch in Deutschland einführen
Berlin (ACE) – Die Halterhaftung in Bußgeldangelegenheiten ist in Deutschland seit Jahrzehnten ein Streitpunkt: Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken hat sich diese bisher hierzulande nicht durchgesetzt. Die Behörden stehen immer wieder vor dem Dilemma, dass Fahrzeugführende bei erheblichen Verstößen gegen die StVO nicht ermittelt werden können, da die Fahrzeughalterinnen oder -halter keine Angaben machen können oder wollen. Das Nichtvorhandensein einer Regelung ist noch immer eine offene Flanke in den Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit, da auch bei Fehlverhalten oftmals keine Sanktionen befürchtet werden müssen.
Um Ordnungswidrigkeiten effektiv zu bekämpfen, fordert der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter, die Einführung der Halterhaftung nach niederländischem Vorbild. Dort wird die Verwaltungssanktion gegen die Person verhängt, die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung für das Kennzeichen als Halter registriert war. Dies geschieht dann, wenn eine Zuwiderhandlung durch ein auf den Halter oder die Halterin zugelassenes Fahrzeug begangen wurde und der bzw. die verantwortliche Fahrzeugführende nicht unmittelbar ermittelt werden kann. Fahrzeughaltende können sich dann durch Benennung der tatsächlich verantwortlichen Person entlasten. Bei einer entsprechenden Entscheidung der zuständigen niederländischen Behörde muss der Adressat des Bußgeldbescheides tätig werden, wenn er oder sie sich selbst entlasten möchte.
Felix Müller-Baumgarten, Fachgebietsleiter Verkehrsrecht und ACE-Syndikusrechtsanwalt, erklärt dazu: „Der bisherige Umstand, dass eine Halterhaftung weder für den fließenden noch für den ruhenden Verkehr vorgesehen ist, ist ein Bärendienst für die Verkehrssicherheit. Da ohne Halterhaftung nach derzeitiger Rechtslage Geldbußen nicht verhängt werden können, besteht auch kaum Sanktionsmöglichkeit für Fehlerverhalten im Straßenverkehr. Daran ändert auch der Kostenerstattungsanspruch gegen Fahrzeughaltende gemäß § 25a StVG nichts. Der ACE drängt deshalb darauf, zügig Regelungen zur Halterhaftung einzuführen. Denn wer sich im Straßenverkehr falsch verhält und andere gefährdet, muss angemessen sanktioniert werden. Wird die Person nicht ermittelt, ist der Fahrzeughaltende verantwortlich, da es aus Sicht des ACE zu dessen Sorgfaltspflicht gehört zu wissen, wem das Fahrzeug zur Nutzung überlassen wurde.“
>> Die ausführliche ACE-Stellungnahme zum AK II finden Sie hier
Pressemitteilung
Zum AK III: „KI-Haftung im Straßenverkehr / Haftung beim autonomen Fahren“:
Eindeutige Entschädigungsregelungen bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen festlegen
Berlin (ACE) – Eine klare Rechtsgrundlage, die Entschädigungen bei Unfällen durch autonome Fahrzeuge im Straßenverkehr regelt, fordert der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter. Die bisherige Regelung, dass der Fahrzeugführer bzw. die Fahrzeugführerin haften, ist aus Sicht des ACE nicht vollständig auf autonome Fahrzeuge übertragbar.
Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Fahrzeug hat der Fahrzeugführende in einem autonomen Fahrzeug durch Aktivierung der automatisierten Fahrfunktion nicht zwingend die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug. Dies wäre Voraussetzung für die Anwendung des sogenannten deliktischen Schadensrechts des Bundesgesetzbuches (BGB), welches auf dem Verschuldensprinzip basiert. Das wiederum heißt, dass ein Schaden bei einem Dritten durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung eingetreten sein muss. Der ACE ist der Ansicht, dass nur derjenige die „tatsächliche Gewalt“ über ein Fahrzeug haben kann, der im Zeitpunkt des Unfalls ohne weitere Umwege Einfluss auf das Fahrzeug nehmen kann. Dies gilt auch, wenn die automatischen Fahrfunktionen jederzeit durch menschlichen Eingriff übersteuerbar sind.
Felix Müller-Baumgarten, Fachgebietsleiter Verkehrsrecht und ACE-Syndikusrechtsanwalt, macht deutlich: „Die Haftungsfragen rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und autonomem Fahren sind seit mehreren Jahren Gegenstand der rechtlichen Diskussion. Allein die Formulierung eines praktikablen Rechtsrahmens, der die offenen Haftungsfragen juristisch beantwortet, fehlt noch immer. Bereits 2019 hatte der ACE anlässlich des Verkehrsgerichtstages auf Klarheit der Haftungsrisiken gedrungen. Heute erneuern wir unsere Forderung und fügen hinzu: Der Rechtsrahmen muss sich an den tatsächlichen, realen Abläufen beim Fahren mit einem autonomen Fahrzeug orientieren. Hochtheoretische und abstrahierte Rechtskonstruktionen erschweren die Entschädigung von Unfallopfern unnötig.“
>> Die ausführliche ACE-Stellungnahme zum AK III finden Sie hier
Pressemitteilung
Zum AK V: „Auf der Suche nach geltenden und erforderlichen Grenzen für E-Scooter, Fahrräder & Co.“
Promillegrenze vereinheitlichen, Bußgelder anheben
Berlin (ACE) – Fahrräder, E-Scooter und weitere neue Formen der individuellen Mobilität boomen. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl der im Straßenverkehr verunfallten und getöteten Verkehrsteilnehmenden wieder besorgniserregend an. Markant dabei ist die verhältnismäßig hohe Zahl an Selbstunfällen, insbesondere bei E-Scootern und Pedelecs unter Alkoholeinfluss.
Zur Steigerung der Verkehrssicherheit fordert der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter, zum einen eine spürbare Erhöhung der Bußgelder für sicherheitsrelevante Vergehen im Straßenverkehr. Die Verschärfung der Sanktionen bei Tempo-, Abstands- oder Überholverstößen ist auf dem Weg zum Erreichen der Vision Zero dringend geboten. Zweitens sollte laut ACE der Bußgeldtatbestand ab 0,5 Promille und die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille – mit Ausnahme von Fußgängerinnen und Fußgängern – für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Straßenverkehr gelten.
Felix Müller-Baumgarten, Fachgebietsleiter Verkehrsrecht und ACE-Syndikusrechtsanwalt, erklärt: Nach einem Tiefststand im Jahr 2021 ist für 2022 wieder ein Anstieg der Verkehrstoten und der im Straßenverkehr verunfallten Personen zu verzeichnen. Das Fahren unter Alkoholeinfluss birgt dabei ein besonders hohes Risiko der Verkehrsgefährdung. Und gerade bei E-Scooter, Pedelec & Co. ist der Anteil alkoholbedingter Verkehrsunfälle verhältnismäßig hoch, die Sanktionen hingegen relativ gering. Aus diesem Grund fordert der ACE eine Gleichbehandlung bei der Bußgeldbewährung und der Fahruntüchtigkeit für alle Verkehrsteilnehmenden außer denjenigen, die zu Fuß unterwegs sind.“
Hintergrund
Seit 2010 ist zu erkennen, dass Unfälle unter Beteilung von Fahrrädern deutlich zunehmen. Wurden 2010 noch 65.573 Fahrradunfälle registriert, waren es 2020 bereits 92.273. Die Zahl der getöteten Fahrradfahrenden stieg von 381 auf 426 an. Seit 2014 sind in die Unfallzahlen auch Pedelecs miteingeflossen. Gerade diese Fahrradart mit Tretunterstützung führte zu dem deutlichen Anstieg. Während die Unfälle unter Beteiligung nichtmotorisierter Fahrräder rückläufig waren, nahmen die Unfälle unter Beteiligung von Pedelecs deutlich zu. Die dritthäufigste Unfallursache mit 8,6 Prozent ist das Fahren unter Alkoholeinfluss. Besonders auffällig ist, dass 36 Prozent der Pedelec-Unfälle Alleinunfälle ohne Beteiligung weiterer Verkehrsteilnehmenden waren.
Im Jahr 2021 sind bei 5.535 Unfällen mit E-Scootern 4.882 Menschen verletzt worden, wobei fünf Menschen starben. Die häufigste Unfallursache war Alkoholeinfluss: In 1.080 Fällen (entspricht 18,1 Prozent) wurde von der Polizei Alkoholeinfluss als Fehlverhalten und damit Unfallursache angegeben; dicht gefolgt von einer falschen Nutzung der Fahrbahn oder der Gehwege. Ähnlich wie beim Pedelec waren 37 Prozent aller E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden Alleinunfälle.
>> Die ausführliche ACE-Stellungnahme zum AK V finden Sie hier
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