TRANSFORMATION DER AUTOMOBILWIRTSCHAFT

Faktoren und Rahmenbedingungen für die Transformation

Der Verkehrssektor ist für rund ein Viertel der weltweiten CO2 -Emissionen verantwortlich. Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen nach 1990 führten zu einer Zunahme des Verkehrs, so dass die hier erzeugten CO2 -Emissionen zwischen 1990 und 2015 global um etwa 75% anstiegen.

In der EU machen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen etwa ein Viertel des Gesamtausstoßes aus. Im Gegensatz zu anderen Sektoren wie Energieerzeugung und Landwirtschaft sind die Werte im Verkehrssektor jedoch stetig angestiegen.

Sektor Verkehr

Im Verkehr wurden im Jahr 2021 rund 148 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Damit liegen die Treibhausgasemissionen dieses Sektors sowohl 1,2% über dem Wert von 2020, als auch rund 3 Mio. Tonnen über der im Bundesklimaschutzgesetz für 2021 zulässigen Jahresemissionsmenge von 145 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Der Verkehr ist das Sorgenkind der deutschen Klimaschutzpolitik.

Transformation der Automobilwirtschaft: Faktoren und Rahmenbedingungen

Deutschland

Klimapolitik

  • Im 2021 novellierten Bundes-Klimaschutzgesetz ist festgeschrieben, bis zum Jahr 2030 die Verminderung der Treibhausgasemissionen um 65% gegenüber dem Jahr 1990 zu erreichen.
  • Es legt bis zum Jahr 2030 jährliche Minderungspflichten auch für den Sektor Verkehr fest. Für diesen Sektor bedeutet das eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 48% auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gegenüber dem Jahr 1990.
  • Darüber hinaus hat Deutschland sich auf dem UN-Klimagipfel im September 2019 dazu bekannt, bis 2050 Treibhausgasneutralität als langfristiges Ziel zu verfolgen. Dieses Ziel wurde mit dem Klimaschutzprogramm 2030 bestätigt. Dafür müssen große Teile der Wirtschaft in den kommenden 30 Jahren nahezu vollständig dekarbonisiert werden.


Europa

Klimapolitik

  • Klimapolitik Die deutsche Klimapolitik ist eng mit der EU-Klimapolitik verbunden. Viele klimapolitische Maßnahmen der EU wirken auch innerhalb Deutschlands.
  • Die EU will 2050 klimaneutral sein. Hierfür hat die EU-Kommission im Juli 2021 ein Paket reformierter und neuer Richtlinien und Verordnungen zur Klimapolitik der Europäischen Union (das „Fit-for-55“-Klimapaket) vorgestellt. Mit ihm soll das im European Green Deal35 verankerte Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Ausstoß 1990 zu reduzieren und Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, erreicht werden. Ende des Jahres 2022 sind die Verhandlungen dazu fast abgeschlossen. Erst danach können die Klimaschutzinstrumente in Kraft treten.
  • Bei der Klimakonferenz in Glasgow im November 2021 sind die Regeln zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 abgeschlossen worden. Die Abschlussentscheidung von Glasgow enthält den Beschluss, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf möglichst 1,5°C zu begrenzen. Sie stellt fest, dass dafür u.a. die globalen Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 45% gegenüber dem Stand von 2010 sinken müssen.
  • Um das zu erreichen, hat die Europäische Union ihr Klimaschutzziel für das Jahr 2030 auf -55% gegenüber 1990 festgelegt und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 fixiert. Beide Ziele wurden von der Europäischen Union auch international im Rahmen des Pariser Übereinkommens völkerrechtlich verbindlich hinterlegt.
  • Die Rahmenbedingungen, die auf europäischer Ebene gesetzt werden, zwingen Automobilhersteller langfristig dazu, Fahrzeuge mit null Emissionen herzustellen. So dürfen ab 2035 in der EU nur noch Autos und Transporter neu zugelassen werden, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen.

Im Rahmen der europäischen Klimaschutzgesetzgebung muss Deutschland verbindliche jährliche Emissionsvorgaben für die Emissionen außerhalb des EU-Emissionshandels einhalten. Verfehlen die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft ihre Ziele, hat das auch europarechtliche Konsequenzen. Dann müssen überschüssige Emissionsrechte bei anderen Staaten aufgekauft werden. Anstatt im Inland Wertschöpfung zu generieren und die Volkswirtschaft zu modernisieren, würde der Bundeshaushalt erheblich belastet.

International

Klimapolitik

  • Grundlage für die Erfüllung des Übereinkommens von Paris bildet die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Danach soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, um die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels so gering wie möglich zu halten.


Wettbewerb

  • die Automobilindustrie ist drei weltweit wirksamen Megatrends ausgesetzt, die sie grundlegend verändern:
    - die bereits beschriebene Notwendigkeit einer Dekarbonisierung des Verkehrssektors und damit eines Umstiegs auf alternative Antriebe bzw. Kraftstoffe bei Kraftfahrzeugen,
    - die fortschreitende Digitalisierung mit Auswirkungen auf Fahrzeugproduktion und Mobilitätsangebote
    - sowie eine starke Verschiebung von Automobilnachfrage und -produktion zwischen den wichtigsten Absatzmärkten;
  • durch eine veränderte politische bzw. regulative Rahmensetzung in den auch für die deutsche Automobilindustrie wichtigen Absatzmärkten wird der Umstieg hin zu E-Fahrzeugen maßgeblich getrieben. Das bedeutet: Es ist auch ohne die notwendige Dekarbonisierung des Verkehrssektors eine zeitnahe Transformation der Automobilindustrie notwendig, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
  • Die Digitalisierung verändert die Produktionsprozesse (Flexibilisierung und Dezentralisierung der Produktion, Verkürzung der Modellzyklen, neue Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und Produkte (vernetztes und autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienstleistungen) des Automobilsektors. Die deutsche Automobilindustrie befindet sich mitten in einem Innovationswettbewerb, der von neuen internationalen Wettbewerbern gestaltet wird, deren Schnelligkeit und Innovationskraft deutlich höher ist. Es zeichnet sich ab, dass die Zeit der traditionellen Industriezweige vorbei ist und von Business-Ökosystemen abgelöst wird, in denen die Autohersteller sich für neue, branchenübergreifende Kooperationen öffnen sollten, um erfolgreich zu bleiben. Ein Business-Ökosystem Mobilität, in dem Automobilhersteller, Technologie-, Infrastruktur- und Dienstleistungsunternehmen zusammenwirken, hat die Bedürfnisse des Kunden im Blick und ermöglicht es jedem daran teilhabenden Unternehmen, die Rolle einzunehmen, die am besten zu den eigenen Fähigkeiten passt. Sich also in einem Business-Ökosystem Mobilität mit innovativen Technologiekonzernen und IT-Startups zusammen zu tun, kann der Weg für die deutsche Automobilindustrie sein, auch weiterhin „der Maßstab“ zu sein.
  • Die globale Automobilnachfrage hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschoben, was den deutschen Automobilsektor wegen seiner hohen Exportquote und der vielen internationalen Produktionsstätten und Joint Ventures erheblich betrifft.
  • Die Fahrzeugnachfrage hat sich in den letzten Jahren global verschoben – in Europa veränderte sie sich kaum, in Nordamerika ist sie rückläufig, dafür hat sich der Anteil Chinas am weltweiten Pkw-Absatz gesteigert; die dortige Entwicklung des Marktes und der Rahmenbedingungen sind für die Automobilindustrie weltweit wichtig.

Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll die deutsche Automobilindustrie

  • die auf EU-Ebene vorgegebenen Rahmenbedingungen umgesetzt haben und die erforderlichen technologischen Schritte zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr gegangen sein: durch eine große Produktvielfalt im Bereich der elektrischen Fahrzeuge hat sie ihre weltweite Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt;
  • perspektivisch das Ziel verfolgen, keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotor mehr herzustellen;
  • sich das notwendige Know-how für eine sich schnell digitalisierende und zunehmend dienstleistungsorientierte Mobilitätsgesellschaft angeeignet haben und auch in diesem Bereich wettbewerbsfähig geworden sein und so zukunftsfähige Arbeitsverhältnisse geschaffen bzw. gesichert haben

Arbeitsplatzauswirkungen der Transformation

Angesichts der Bedeutung der Automobilindustrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für hiesiges Wachstum und Beschäftigung können die Auswirkungen der Verkehrswende auf die Automobilindustrie gravierend sein.

Ein Aspekt wird der Arbeitsplatzabbau sein, für den die geschätzten Zahlen schwanken. Es gibt hierzu eine Vielzahl an Studien, deren Konzeption und zugrunde gelegten Szenarien stark variieren, so dass die Ergebnisse oft nicht vergleichbar sind. Das Umweltbundesamt (UBA) kommt bei einem Abgleich dieser Studien zu dem Schluss, dass die prognostizierten Effekte stark variieren und der Fahrzeugbau, wird er isoliert betrachtet, mit Beschäftigungsrückgängen konfrontiert sein könnte. Weitet man aber die Betrachtung auf alle relevanten Tätigkeitsbereiche aus, schwanken die Beschäftigungseffekte im „leicht negativen bis deutlich positiven Bereich“.

Aus Sicht des ACE hängen die Arbeitsplatzauswirkungen dieses Strukturwandels von einigen Variablen ab:

  • Der wichtigste Faktor hierfür ist die Batterie, in deren Entwicklung und Herstellung die deutsche Automobilindustrie eingestiegen ist;
  • es ist noch nicht absehbar, in welchem Maße im Zuge der Verkehrswende in anderen Bereichen der Mobilitäts- und der Gesamtwirtschaft neue Beschäftigung entstehen wird;
  • die Transformation des Verkehrssystems hin zu flexiblen Mobilitätsdienstleistungen kann den Kernmarkt des Verkaufs von Pkw verkleinern, wohingegen Umsatz und Beschäftigung im öffentlichen Verkehr und bei Mobilitätsdienstleistern steigen.

Der ACE befürwortet deshalb einen schrittweisen, koordinierten Übergang in ein dekarbonisiertes Verkehrssystem, der der Automobilindustrie Zeit für die Schaffung neuer Kooperationsformen und Organisationskulturen einräumt und strukturelle Verwerfungen und den Verlust von Arbeitsplätzen und Kompetenzen vermeidet. Es muss für jene Menschen gesorgt werden, die ihre Arbeit wegen überflüssig werdender Technologien verlieren.

Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll die deutsche Automobilindustrie durch hohe Innovationsfähigkeit und Investitionsbereitschaft

  • insbesondere in den Automobilregionen neue Wertschöpfungsketten verankert haben;
  • zum Umbau von Beschäftigung hin zu alternativen Beschäftigungspotenzialen in anderen Branchen beigetragen haben;
  • durch die Implementierung und Finanzierung neuer Personalentwicklungskonzepte dazu beigetragen haben, dass die Beschäftigten notwendige Qualifikationen erworben und ihre Beschäftigungsperspektiven erhalten haben;
  • sichergestellt haben, dass jene Arbeitnehmer, die infolge des Strukturwandels eine andere Aufgabe erfüllen, weder prekär noch schlechter vergütet noch dequalifiziert beschäftigt sind;
  • im Rahmen einer Diversifizierung der Geschäftsmodelle den bereits frühzeitig von ihr bedienten Bereich Mobility-as-a-Service4 konsequent mit weiteren Dienstleistungen ausgebaut, so Umsatzrückgänge aus dem Fahrzeugverkauf kompensiert und auch hier hoch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen haben.

Damit die Automobilindustrie dies leisten kann, erwartet der ACE von der Politik, dass

  • sie in den Aufbau und Betrieb eines dichteren öffentlichen Verkehrsnetzes investiert, den Verkehr durch eine intelligente Stadt- und Raumplanung soweit wie möglich reduziert und durch attraktive Verkehrsalternativen auf den Umweltverbund41 einschließlich neuer Mobilitätsdienste verlagert – auch, um so im Bereich der neuen Mobilitätsdienstleistungen und im öffentlichen Personennahverkehr Arbeitsplätze, die in der Automobilindustrie durch weniger arbeitsintensive Antriebstechnik oder durch reduzierte Absatzzahlen wegfallen, zu ersetzen;
  • sie neue Infrastrukturen und Anreize für Unternehmen schafft, sich langfristig umzustrukturieren und weiterzuentwickeln, so die Verkehrswende zu beschleunigen und zudem Arbeitsplätze, die an einigen Stellen verloren gehen, an anderer Stelle zu schaffen.

Wenn es gelingt, die anstehende Wende zur Elektromobilität als industriepolitische Chance zu gestalten und zu nutzen, kann das insgesamt positive Beschäftigungseffekte haben und die Rolle der deutschen Automobilindustrie als Innovationsmotor stärken.

Sich gegen die Verkehrswende mit ihrer Entwicklung zur Elektromobilität und zu effizienteren Fahrzeugen zu wehren, ist keine Alternative. Ein Verzicht auf den Umstieg auf Elektromobilität würde höchstens kurzfristig Arbeitsplätze sichern. Auf mittel- und langfristige Sicht würde diese Herangehensweise allerdings die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden, wenn die Hersteller nicht schnell genug überzeugende Autos mit alternativem Antrieb auf den Märkten der Zukunft platzieren können. Zudem schafft auch die Energiewende neue Arbeitsplätze. Es ist eine wesentliche strukturpolitische Aufgabe, diesen Prozess auch politisch zu steuern und so zu gestalten, dass er möglichst ohne Strukturkrisen und soziale Verwerfungen stattfinden kann.

An alten Verkehrskonzepten festzuhalten, führt zum Verlust von Marktanteilen und deutlich mehr Arbeitsplätzen, als wenn wir uns jetzt auf die Zukunft einstellen.