GÜTERVERKEHR

Bedeutung des Güterverkehrs

Es ist Aufgabe des Staates, ein Verkehrsangebot zu organisieren, das Mobilität von Menschen und den Transport von Gütern in einer angemessenen Qualität zu angemessenen Preisen ermöglicht. Dabei müssen die Interessen der Gesellschaft und nicht die Interessen des Einzelnen im Vordergrund stehen.

Transport und Logistik tragen maßgeblich zu Wachstum und Beschäftigung bei. Mit rund 3 Millionen Beschäftigten in Deutschland belegen Güterverkehr und Logistik hinter dem Handel und der Automobilindustrie Platz drei aller Wirtschaftsbereiche. Ohne einen funktionierenden Güterverkehr kämen auch Handel und Industrie innerhalb kürzester Zeit zum Erliegen. Die Mobilitätswirtschaft hat eine Schlüsselfunktion für alle anderen Wirtschaftszweige, für den Arbeitsmarkt und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.

Nach Prognosen des Bundesverkehrsministeriums wird der Güterverkehr – deutschland- und europaweit – in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen. Die Verkehrsleistung in diesem Bereich in Deutschland wird von 607,1 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2010 auf 837,6 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2030 (+38%) anwachsen. Verkehrswende bedeutet also nicht nur, einen Antriebswechsel herbeizuführen, sondern auch den Umbau der Produktions- und Logistiksysteme voranzutreiben.

Trends im Güterverkehr

Die Trends der vergangenen Jahre zeigen, dass dieses Wachstum eher zulasten der umweltfreundlicheren Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff geht. Der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehrsaufwand beträgt lediglich ca. 7% und spielt daher eher eine untergeordnete Rolle. Der dominierende Verkehrsträger ist und bleibt unverändert der Lkw. Für ein klimaneutrales Verkehrssystem muss seine Dominanz zurückgedrängt werden. Dies gilt für den Nahverkehr, aber insbesondere für den nationalen und internationalen Fernverkehr. Der Kombinierte Verkehr Straße/ Schiene ist seit Jahren das wichtigste Wachstumssegment im Schienengüterverkehr und hier liegt auch das größte Verlagerungspotential, das es zu heben gilt. Die Bundesregierung hat sich im Juni 2020 im „Masterplan Schienenverkehr“ zu dem Ziel bekannt, den Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr von heute 19% auf „mindestens 25%“ im Jahr 2030 zu steigern. Die Ampel-Koalition hat dieses Ziel zudem in ihrem Koalitionsvertrag von Dezember 2021 festgeschrieben. Das ist die aktuell gültige Zielvorgabe, die es zunächst zu erreichen gilt. Gleichwohl wird der Lkw auch auf längere Sicht einen wesentlichen Anteil an der Verkehrsleistung haben, so dass es wichtig ist, auch in diesem Bereich in klimaneutrale Antriebe und Kraftstoffe zu investieren. Denn während heute noch überwiegend Brückentechnologien wie Bio-CNG und -LNG zur Dekarbonisierung im Lkw-Segment beitragen, werden mittel- und langfristig insbesondere elektrische Antriebe emissionsfreien Güterverkehr ermöglichen.

Im Güterverkehr sollte bei größeren Entfernungen die Schiene eine attraktive Transportoption sein, denn die Schiene bietet mit ihrem bereits existierenden System von Oberleitungen einen klaren Vorteil gegenüber dem Lkw. Aus Lärm- und Klimaschutzgründen und zur Entlastung der Straßenverkehrsinfrastruktur muss es um eine nennenswerte Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die Schiene gehen, dies europaweit.

Darüber hinaus trägt die Schiene zur Reduzierung und zur Entlastung des Straßengüterverkehrs, der Verkehrswege, der Parkplätze und der sonstigen Infrastruktur bei. Dies bedeutet aber, dass die bestehende Schieneninfrastruktur ausgebaut werden muss. Dazu gehört nicht nur das bloße Verlegen von Schienen, sondern auch die Ausweitung der Elektrifizierung sowie der bedarfsgerechte Ausbau von Lärmschutz an Zügen und Strecken. Um die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene zu fördern, bedarf es zudem der Reaktivierung und des Neubaus von Gleisanschlüssen. Zudem sind im Bereich des Güterverkehrs keine einheitlichen Wettbewerbsbedingungen gegeben: europaweit sind Nutzungsentgelte für die Schiene zu zahlen, während nicht alle Straßenverkehrswege bemautet werden.

Der ACE spricht sich dafür aus, eine Harmonisierungsinitiative in Europa zu starten. Um die schon jetzt überlastete Straßeninfrastruktur in Europa nicht weiter unnötig zu schädigen, sind auch auf europäischer Ebene alle Anstrengungen zu unternehmen, die einzelnen Verkehrsträger optimal zu verzahnen. Digitale Plattformen sind zwingend weiterzuentwickeln. Die Arbeitsbedingungen im Bereich des Güterverkehrsgewerbes müssen verbessert werden.

Intelligente Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind dringend erforderlich, denn eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Deshalb brauchen wir eine Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur. Dabei steht der Erhalt der Strecken im Vordergrund. Zur Vermeidung von Verkehrsengpässen wird es allerdings ohne einen Neu- und Ausbau der relevanten Schienenstrecken unter Berücksichtigung von Lärmschutzmaßnahmen nicht gehen. Die Digitalisierung spielt dabei eine erhebliche Rolle. Alle Möglichkeiten sollten ausgeschöpft werden.

Die entsprechenden finanziellen Mittel müssen dafür langfristig und belastbar eingeplant werden. Dabei gelten drei Prioritäten: Erhalt vor Neubau, Beseitigung von Engpässen und Schließung von Netzlücken. Notwendig ist eine neue Infrastrukturpolitik, die diesen Zielen folgt, verkehrsträgerübergreifend ist und damit auch einer Verkehrswende gerecht wird.

Lieferverkehr

Auch der Lieferverkehr wird in den nächsten Jahren zunehmen. Dies erfordert eine Regulierung. Das anhaltende Wachstum des Internethandels führt zu überdurchschnittlichen Wachstumsraten der KEP-Dienste und verschärft die Verkehrssituation in den Städten und Ballungsräumen in besonderem Maße. Liefer- und Zustellprozesse können auf der letzten Meile wesentlich flüssiger ablaufen – das hat sich während des Lockdowns gezeigt, weil die Verkehrsbelastung gering war –, wenn ausreichend Haltemöglichkeiten für Zustellfahrzeuge vorhanden sind. Liefer- und Ladeflächen sind auch in den Städten unausweichlich. Es müssen ausreichend Flächen für Mikrodepots, Paketstationen und Ladezonen zur Verfügung gestellt werden.

Eine weitere mögliche Lösung besteht in der Bündelung des Lieferverkehrs am Stadtrand, der Nutzung eines gemeinsamen Transportdienstleisters für die letzte Meile sowie in der Aufstellung systemoffener Paketboxen auf öffentlichem und privatem Grund. Durch die Bündelung dieser Maßnahmen könnte die Zahl der Zustellfahrten deutlich reduziert werden. So können alle, die am Straßenverkehr teilnehmen, von einem besseren Verkehrsfluss profitieren, die Verkehrssicherheit steigt, die Arbeitsbedingungen der Paketdienste verbessern sich. Hier gilt es, einen entsprechenden Rechtsrahmen zu schaffen.

Die Liefer- und Zustelldienste müssen stärker reguliert werden. Insbesondere müssen die Kommunen die Möglichkeit bekommen, die oben vorgeschlagenen Maßnahmen durchzusetzen. Gleichzeitig brauchen die Städte und Gemeinden die rechtliche Möglichkeit, den KEP-Diensten Vorgaben zur Nutzung umweltfreundlicher Fahrzeuge zu machen. Gemeinsam mit der kommunalen Raumplanung sind auch neue Konzepte nachhaltiger Individual-Belieferung zu erproben. Die Lebensfähigkeit kommunaler Versorgungsstrukturen muss dabei ebenso eine Rolle spielen wie das persönliche Bedürfnis, Güter zu bestellen und liefern zu lassen.

Darüber hinaus können zahlreiche Kfz-Fahrten, die mit urbanem Transport zu tun haben, auch mit Rad, Lastenrad oder Radanhänger erledigt werden. Dies eignet sich somit nicht ausschließlich für Liefer- und Paketdienste, die das teilweise ohnehin schon auf der sog. letzten Meile nutzen, sondern auch für andere Dienstleistungen. Denn auf Strecken unter fünf Kilometern ist das Fahrrad stets das schnellste Verkehrsmittel. Für den urbanen Transport sind somit ebenso Fahrradstraßen und breite Radschnellwege unabdingbar.

Der ACE fordert: In einer Zeit, in der die Verkehrswende fortgeschritten ist, soll(en)

  • europaweit ausschließlich effiziente und klimaneutrale Lkw unterwegs sein:
    - die Schaffung eines flächendeckenden Hochleistungsladenetzes ist dafür unabdingbar,
    - durch batterieelektrische Nachtlogistik werden Lärmemissionen vermieden und verhindern die Be- und Anlieferung in Tagesrandzeiten;
  • aus Lärm- und Klimaschutzgründen ein möglichst großer Anteil des heutigen Lkw-Verkehrs auf die Schiene verlagert worden sein;
  • der Schienengüterverkehr auch bei mittleren Entfernungen und Sendungsgrößen wieder zu einer attraktiven Transportoption geworden sein;
  • das Schienennetz europaweit so ausgebaut worden sein, dass für den notwendigen Güterverkehr ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen;
  • auf europäischer Ebene die einzelnen Verkehrsträger optimal miteinander vernetzt sein;
  • digitale Plattformen weiterentwickelt worden sein;
  • intelligente Investitionen in die Schieneninfrastruktur getätigt worden sein:
    - beim Ausbau des Schienennetzes muss darauf geachtet werden, dass die vielen notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung von Kapazitätsengpässen und betrieblichen Hindernissen für den Güterverkehr nicht vergessen werden
  • größere, neue Gewerbegebiete nur mit Schienenanschluss gebaut werden dürfen;
  • Lieferverkehre in den Städten reguliert worden sein;
  • die Bündelung des Lieferverkehrs am Stadtrand erfolgt und in den Städten ausreichend Flächen für Mikrodepots, Paketstationen und Ladezonen zur Verfügung gestellt worden sein;
  • auch die Arbeitsbedingungen im Güterverkehrssektor verbessert worden sein:
    - insbesondere müssen die Regelungen zu Fahr- und Ruhezeiten sowie zu gesetzlichen Mindestlöhnen und verbindlichen Tarifverträgen konsequent überwacht und durchgesetzt werden; wochenlange erzwungene Abwesenheiten von Lkw-Fahrerinnen und -fahrern darf es nicht mehr geben,
  • die Kapazitäten der Rastanlagen entlang der Autobahnen dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen durch Lkws angepasst worden sein:
    - es müssen ausreichend Rastplätze und sanitäre Anlagen für die Fahrerinnen und Fahrer zur Verfügung gestellt werden, deren Ausstattung besser, günstiger, sicherer und sauberer zu sein hat,
    - die Autobahnen müssen mit telematischen Systemen ausgerüstet werden, die so gewonnenen Daten müssen für die Nutzung im Internet und in Navigationsgeräten zur Verfügung stehen; die Information über die Belegung der Lkw-Parkflächen auf der Strecke – nicht nur die auf dem nächstgelegenen Rastplatz – sollte den Fahrerinnen und Fahrern direkt ins Fahrerhaus geschickt werden.

Exkurs: Oberleitungs-LKW

Der Straßengüterverkehr wächst und damit auch die Emissionen. Können Oberleitungs-Lkw ökonomisch und ökologisch eine sinnvolle Lösung sein, Treibhausgasemissionen zu reduzieren?

Im öffentlichen Verkehrsraum sind bislang auf der A 5 zwischen Langen/Mörfelden und Weiterstadt in Hessen sowie auf einem Streckenabschnitt auf der A 1 bei Lübeck in Schleswig-Holstein Oberleitungs-Lkw im Einsatz. Eine Studie des Öko-Instituts zeigt auf, dass Oberleitungs-Lkw eine effiziente Möglichkeit der Stromnutzung im Güterfernverkehr sein können. Würde man das Autobahnnetz über 4.000 km mit einem leistungsfähigen Oberleitungsnetz ausbauen, so könnte ein Drittel des Lkw-Fernverkehrs mittels Oberleitung elektrisch erfolgen. Dies würde allerdings Investitionskosten in Höhe von 12,2 Milliarden € erforderlich machen. Nicht eingerechnet sind die Kosten für die Anschaffung der Lkw.

Auch eine Studie des ifeu geht von einem Klimavorteil von Oberleitungs-Lkw aus. Deren Berechnungen zufolge könnte ein Oberleitungs-Lkw im Jahr 2030 die CO2 - Emissionen eines Diesel-Lkw fast halbieren. Dadurch könnten jährlich ca. 9 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das würde 20% der Gesamtemissionen des deutschen Straßengüterverkehrs entsprechen.

Trotz der Vorteile im Bereich der Emissionseinsparungen sind Oberleitungs-Lkw aus Sicht des ACE keine sinnvolle Alternative. Sowohl die hohen Kosten zum Aufbau einer Infrastruktur, die nur von einer begrenzten Anzahl an Fahrzeugen genutzt werden kann, als auch die weiterhin bestehende Belastung der Straße sprechen gegen die flächendeckende Einführung von Oberleitungs-Lkw.

Mit Blick auf die Verkehrssicherheit ist anzumerken, dass das Unfallrisiko im Lkw-Verkehr um ein Vielfaches höher ist als im Schienengüterverkehr. Daran ändert auch eine Oberleitung nichts.