Stuttgart (ACE) 30. Juli 2017 – Während zahlreiche deutsche Städte weiterhin mit zu hoher Belastung der Luft durch Stickoxid (NOx) kämpfen, läuft die Debatte um wirksame sowie machbare Lösungen zur dauerhaften Absenkung der Luftschadstoffe auf Hochtouren. Gibt es Alternativen zu Fahrverboten? Und was bedeuten aktuelle Richtersprüche sowie Pläne der Städte für die Verbraucher, insbesondere Besitzer von Diesel-Fahrzeugen? Der ACE, Deutschlands zweitgrößter Autoclub, hat zusammengetragen, was Dieselfahrer jetzt wissen müssen.
Betroffene Städte, der Deutsche Städtetag sowie Verbraucherverbände fordern langfristig die Einführung der blauen Plakette. Mithilfe dieser können saubere Fahrzeuge gekennzeichnet und Fahrtbeschränkungen explizit für Fahrzeuge ausgesprochen werden, die den Grenzwert für den Stickoxidausstoß auf der Straße nicht einhalten.
Welche Fahrzeuge sind betroffen und welche könnten die blaue Plakette perspektivisch bekommen?
- Entscheidend wird die Emissionsklasse sein, die in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 (Fahrzeugschein) unter der Ziffer 14 eingetragen ist.
- Diesel-Pkw bekommen voraussichtlich eine blaue Plakette ab Euronorm 6.
- Diesel-Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 5 soll ein Softwareupdate helfen. Mit diesem wird der Stickoxidausstoß gesenkt, die Fahrzeuge sollen darüber eine neue Emissionsklasse Euro 5.5 (auch Euro 6 light genannt) erhalten, als Voraussetzung für den Erhalt der blauen Plakette.
- Technisch ist ein Aufrüsten bei Diesel-Pkw auch darüber hinaus auf Euro 6 möglich.
Stichwort: SCR-Anlage. Die SCR-Anlagen spritzen das Mittel „AdBlue“, eine Mischung aus Harnstoff und Wasser, in die Abgase, so werden die schädlichen Stickoxide wirksam umgewandelt. - Benziner bekommen voraussichtlich eine blaue Plakette ab Euro 3, da sie wie auch
Gasfahrzeuge bereits ab der Euro-3-Norm besonders niedrige Partikel- und Stickoxidwerte aufweisen. - Übergangsfristen: Letztendlich ist bei der Einführung der blauen Plakette damit zu rechnen, dass die Städte, wie bei den bisherigen Umweltzonen, zum Schutz der Verbraucher Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen festlegen werden.
Wie weiß ich, ob mein Auto mit einer „Schummelsoftware“ ausgestattet wurde, welche die Abgasreinigung beeinträchtigt? Was ist eigentlich illegal?
- Mit einer Schummelsoftware ist das Auto ausgestattet, wenn sich die Abgasreinigung abschaltet oder diese eingeschränkt wird, ohne dass dazu eine dringende Notwendigkeit besteht, um den Motor vor einem Schaden zu schützen. Denn nur im Falle des unmittelbar nötigen Motorschutzes darf sich laut europäischem Gesetz die Abgasreinigung abschalten. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Die Software schränkt die Abgasreinigung und damit das Einspritzen des AdBlue bereits ein, wenn beispielsweise die Außentemperatur unter 10 Grad Celsius liegt, einfach um das Mittel AdBlue zu sparen. Die Folge ist, dass dadurch die vorgeschriebenen Grenzwerte für Schadstoffemissionen nicht mehr eingehalten werden.
- Es werden immer mehr Hersteller und Modelle bekannt, die von einer sogenannten illegalen Abschalteinrichtung betroffen sind. Sollte Ihr Fahrzeug darunter sein, wird Sie der Hersteller anschreiben und in der Regel zumindest ein Softwareupdate anbieten. Dazu werden die Hersteller vom Kraftfahrtbundesamt verpflichtet. Reagieren Sie als Halter nicht und verweigern Sie das Softwareupdate, droht ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamts. Dieses kann die Zulassung für ihr Fahrzeug entziehen.
Reicht ein Softwareupdate, um auch in Zukunft nicht vom Verkehr ausgeschlossen zu werden?
- Derzeit werden verschiedene Nachrüstmöglichkeiten diskutiert. Sobald diese zugelassen sind und angeboten werden, sollten Autofahrer und Autofahrerinnen davon Gebrauch machen.
- Eine Garantie für die Zufahrt in die Städte nach reinem Softwareupdate wird derzeit auf politischer Ebene verhandelt. Aus Sicht des ACE eine Notwendigkeit, wenn sich auf die Lösung Softwareupdate verständigt werden sollte. Doch scheint dies, nach dem Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgericht, vom 28. Juli 2017, als Lösung vom Tisch.
Kann ich meinen älteren Diesel auf Euro 6 aufrüsten und was kostet das?
- Technisch ist dies ab Euronorm 4, teilweise sogar bei noch niedrigeren Emissionsklassen, möglich. Nicht geklärt ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings, wer für welche Nachrüstungen die Kosten tragen muss und ob es Zuschüsse von der Bundesregierung geben wird. Hier sind die Entscheidungen des am 2. August beginnenden „Nationalen Forum Diesel“ abzuwarten.
- Grundsätzlich gibt es drei Nachrüst-Lösungen: ein reines Softwareupdate, die Nachrüstung einer SCR-Abgasreinigungsanlage(mit Harnstoffzuführung) oder eine Kombination aus beidem.
- Ein reines Softwareupdate kann die Emissionen verbessern. Ein Euro-5-Fahrzeug kann dadurch zwar nicht Euro 6 erreichen, aber die angedachte, noch zu schaffende Emissionsklasse Euro 5.5 (auch Euro 6 light genannt). Für welche Fahrzeuge das im Detail möglich ist, hängt von technischen Gegebenheiten und der Verfügbarkeit der entsprechenden Software ab. Darüber hinaus ist zwischen einem Update, zu welchem Hersteller verpflichtet werden (damit die Fahrzeuge die Grenzwerte einhalten, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind), und einem freiwilligen, darüber hinausgehenden zu unterscheiden.
- Ein Fahrzeug mit nachgewiesener Schummelsoftware muss vom Hersteller kostenlos nachgebessert werden, sodass es die zum Zeitpunkt der Auslieferung aktuellen Vorschriften einhält. Dazu werden die Hersteller entsprechend verpflichtet und Halter müssen dieses durchführen lassen. Weil darüber hinaus noch bis August 2015 neue Diesel mit der Emissionsklasse 5 verkauft werden durften, erwägen manche Hersteller auch für diese Pkw ein kostenloses Update Euro 5.5 anzubieten. Ansonsten wäre mit 100 bis 300 Euro zulasten des Fahrzeughalters zu rechnen.
- Durch eine nachgerüstete SCR-Anlage ist technisch noch mehr möglich. Die Schadstoffwerte der Emissionsklasse Euro 6 oder besser können erreicht werden. Damit sollte auch der Erhalt der blauen Plakette möglich sein, sehr wahrscheinlich ist dies für Euro-5-Fahrzeuge, die aufgrund der Nachrüstung Euro 6 erlangen. Da jedoch zum jetzigen Zeitpunkt die Parameter für die blaue Plakette gesetzlich noch nicht geregelt sind, kann man erst von „voraussichtlich“ bzw. „sehr wahrscheinlich“ sprechen. Wichtig wird letztlich der Eintrag des tatsächlichen Abgasverhaltens in die Papiere sein.
- Noch besser als eine SCR-Anlage ist das universelle und sogenannte BNOx-Verfahren, bei dem in einem separaten Bauteil das AdBlue erhitzt und in Ammoniak umgewandelt wird. Als heißes Gas wird dieses dann in den eigentlichen SCR-Katalysator weitergeleitet. Mit diesem System können die Stickoxide unter realen Fahrbedingungen um etwa 95 Prozent reduziert werden – so wird die Emissionsklasse Euro 6 sogar deutlich übertroffen und der Erhalt der blauen Plakette ist garantiert. Der Verbrauch erhöht sich allerdings, wie bei fast allen Aufrüstungen, um etwa fünf Prozent. Die Kosten für das System belaufen sich auf etwa 1.500 Euro plus Lohnkosten für den Einbau.
Wie wirkt sich ein „Softwareupdate“ aus?
- Nach dem Update kann es zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch von etwa fünf Prozent kommen. Ebenso kann sich der Verbrauch von Harnstoff bei Fahrzeugen mit SCR (Markenname Adblue) erhöhen. Denn zuvor wurde oftmals weniger Harnstofflösung als nötig zugeführt, um den Stickoxid-Ausstoß wirkungsvoll zu reduzieren. Die Abgaswerte hingegen verbessern sich und halten die gesetzlichen Vorschriften eher ein. Der ACE empfiehlt Verbrauchern, alle ausgeführten Arbeiten schriftlich dokumentieren zu lassen.
Haben Diesel derzeit einen Wertverlust?
- Das ist von Modell zu Modell unterschiedlich und auch die Örtlichkeit ist ausschlaggebend. In Fahrtverbotsregionen sind höhere Abschläge zu verkraften als in ländlichen Regionen. Die DAT errechnete jüngst, dass drei Jahre alte Diesel-Pkw bei 54,9 Prozent des Listenpreises liegen, wobei mit weiteren Verlusten gerechnet werden muss. Die künftige Preisentwicklung bei Gebrauchtwagen wird vor allem von den Beschlüssen des „Nationalen Forums Diesel“ abhängig sein. Ergebnisse des aktuellen Diesel-Barometers sind nachzulesen unter www.dieselbarometer.dat.de
Ist es überhaupt noch empfehlenswert, einen Diesel zu kaufen?
- Gebrauchte: Wer in Städten uneingeschränkt mobil sein möchte, dem ist vom Kauf eines gebrauchten Euro-5-Diesel (oder Euronorm niedriger) derzeit abzuraten. Denn beim Kauf eines Euro-5-Diesel (oder Euro 4) geht man das Risiko ein, dass es keine Nachrüstlösung zum Erreichen der Emissionsklasse Euro 6 oder Euro 6 light (auch 5.5 genannt) geben könnte, wovon wiederum der Erhalt der blauen Plakette zu einem späteren Zeitpunkt abhängig sein kann (auch wenn bei gängigen Modellen die Chancen einer technischen Aufrüstung gut stehen).
Bei Euro-6-Diesel-Pkw der ersten Generation ohne SCR ist ebenfalls Vorsicht geboten, denn auch hier wurde zum Teil mit der Software getrickst. Allerdings sind hier die Hersteller in der Pflicht nachzubessern.
Selbst bei einigen neuen mit SCR ausgerüsteten Diesel schaltet sich die Abgasreinigung illegaler Weise zeitweise ab. In diesen Fällen reicht ein Softwareupdate aus, welches die Hersteller kostenfrei zur Verfügung stellen müssen.
Schauen Sie im Fahrzeugschein auf Feld 14.1. Bestenfalls ist hier vermerkt ob der Diesel ein reines Euro-6-Fahrzeug ist oder ob er die Klasse Euro 6b, 6c oder 6d besitzt. Ist dies nicht der Fall, müssen Sie recherchieren. Die Kombination aus Datum der Typengenehmigung/Erstzulassung (6) und Schadstoffklasse (14.1) gibt Aufschluss. - Neuwagen: Der Kauf eines neuen Diesels ist trotzdem eine Überlegung wert, speziell für Vielfahrer mit einer Fahrleistung über 10.000 Kilometer. Es empfiehlt sich aber, bis zum Herbst 2017 abzuwarten, wenn Modelle mit Euro 6D auf den Markt kommen. Außerdem müssen ab September 2017 alle Fahrzeuge, die neu auf den Markt kommen und dann erstmals zugelassen werden, den Schadstoffausstoß im Realbetrieb (RDE) einhalten. Erste Diesel-Pkw schaffen die EU-Vorgaben bereits und sind langfristig zu empfehlen.
Welche Alternativen zum Diesel sind empfehlenswert?
- Empfehlenswert sind Erdgas- und Hybridautos sowie effiziente Benziner, die bereits ab Euro 3 wenige Schadstoffe selbst im Straßenbetrieb ausstoßen. Achtung aber bei neuen Benzinern mit Direkteinspritzung! Diese stoßen erhebliche Mengen Feinstaubpartikel aus, die ebenfalls gesundheitsgefährdend sind. Daher sind Benzin-Direkteinspritzer nur mit Rußpartikelfilter zu empfehlen.