Berlin (ACE) – Immer wieder werden Autos wegen verschiedener Mängel zurückgerufen. Allein im Jahr 2021 waren laut dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) 3,4 Millionen Fahrzeuge davon betroffen. Das entspricht einem Anstieg von 12 Prozent im Vergleich zu 2020. Was Kfz-Halter und -halterinnen in einem solchen Fall beachten müssen und ob sie ihr Auto in jedem Fall in die Werkstatt bringen müssen, erläutert der ACE, Europas Mobilitätsbegleiter.
Service-Aktion oder sicherheitsrelevant?
Handelt es sich um einen sicherheits- oder umweltrelevanten Mangel, der die Sicherheit des Fahrenden, weiterer Insassen, anderer Verkehrsteilnehmender oder die Umwelt gefährdet, kann das KBA einen verpflichtenden Rückruf anordnen. Typische Mängel treten häufig an Airbags, Lenkung, Fahrwerk, Motor oder Bremsen auf. Wird der verpflichtende Rückruf vom Haltenden ignoriert, droht nach drei postalischen Aufforderungen die Zwangsstilllegung des Fahrzeugs. Auch auf die Kfz-Versicherung kann sich das negativ auswirken.
Sind die Mängel nicht sicherheits- oder umweltrelevant, handelt es sich in der Regel um freiwillige Service-Aktionen. Dazu zählen zum Beispiel Verarbeitungsmängel an der Karosserie, welche zu Feuchtigkeit im Innenraum und Rostschäden führen oder fehlerhafte Bauteile, die einen Motorschaden verursachen können. Meist drohen in solchen Fällen teure Folgeschäden, die der Hersteller lieber vermeiden möchte, um Gewährleistungen zu entgehen. Bei öffentlichen Aktionen werden die Betroffenen per Post oder über die Presse in die Markenwerkstatt gebeten. Im Unterschied dazu bekommen Kunden und Kundinnen von stillen Aktionen meist gar nichts mit, weil diese Mängel einfach bei der nächsten Wartung beseitigt werden. Das können beispielsweise Software-Updates sein, welche die Sprachsteuerung oder Abgaswerte verbessern.
Eine Pflicht zum Beheben dieser Mängel besteht im Unterschied zu den verpflichtenden Rückrufaktionen nicht, trägt aber zur Werterhaltung des Fahrzeugs bei. Wenn ein Folgeschaden auftritt, kann die nicht durchgeführte Reparatur im Rahmen einer freiwilligen Rückrufaktion sich negativ auf eine eventuell vorhandene Fahrzeuggarantie oder Kulanzleistung auswirken.
Als zuständige Marktüberwachungsbehörde entscheidet das KBA, ob es einen verpflichtenden Rückruf anordnet oder der Hersteller einen freiwilligen Rückruf starten kann.
Wie erfahren Halterinnen und Halter von einer Rückrufaktion?
Per Post wird der Halter oder die Halterin entweder über den Hersteller oder durch das KBA über den angeordneten Fahrzeugrückruf informiert. Sie werden darin gebeten, ihr Fahrzeug in einer bestimmten Zeit zur Reparatur in eine Vertragswerksatt zu bringen. Die Anschriften der betroffenen Personen erhält der Hersteller vom KBA aus dem Zentralen Fahrzeugregister, damit möglichst alle Autohalter und -halterinnen erreicht werden. Bei einer besonders schweren Gefährdung überwacht das KBA auch die Rückrufaktion. Es besteht zwar keine Pflicht sich selbst über mögliche Rückrufe zu informieren, dennoch kann dies jederzeit in der Rückruf-Datenbank des KBA überprüft werden. ACE-Tipp: Vor allem beim Gebrauchtwagenkauf vorher einen Blick in die Datenbank werfen und beim Händler nachfragen, ob alle Rückruf- und Service-Aktionen erledigt wurden.
Wie kommt es überhaupt zum Rückruf?
Entweder stellt der Fahrzeughersteller selbst Sicherheitsmängel an einer bestimmten Baureihe fest und muss das KBA aufgrund des Produktsicherheitsgesetzes darüber informieren. Das Ganze funktioniert aber auch andersherum: Halter und Halterinnen können sich auch selbst – inzwischen bequem online über den Mangelmelder – an das KBA wenden, wenn sie sicherheitsrelevante Mängel feststellen. Der ACE rät zur Verbesserung der Verkehrssicherheit allen, Mängel beim KBA unbedingt zu melden, um Schlimmeres zu verhindern. Häufen sich die Meldungen zu einem bestimmten Mangel, kann das KBA selbst aktiv werden. Beispielsweise ist dies auch im Rahmen des Abgasskandals erfolgt. Wäre eine Nachbesserung in Absprache mit dem KBA durch den Hersteller nicht vollzogen worden, hätte das KBA weitere Maßnahmen bis hin zum Widerruf der Typengenehmigung ergreifen müssen.
Rechte beim Rückruf
Achtung: Der Hersteller ist nicht verpflichtet, die Reparaturkosten bei einem Rückruf zu übernehmen. Anspruch darauf besteht lediglich während der zweijährigen Garantiezeit, sonst handelt der Hersteller lediglich aus Kulanz. Tatsächlich sind die Reparaturen im Rahmen der Rückrufe für den Haltenden aber fast immer kostenlos. Der Image-Schaden durch den Rückruf ist meist schon so groß, dass Auseinandersetzungen mit den Kunden über Reparaturkosten eher gemieden werden.
Weitere Kosten, die durch den Rückruf entstehen, muss der Haltende in der Regel aus eigener Tasche zahlen. Halter oder Halterin haben weder Anspruch auf eine Erstattung der Fahrkosten für den Weg zur Werkstatt noch auf einen Ersatzwagen für die Zeit der Reparatur.
Die Rückabwicklung eines Kaufvertrages aufgrund von Mängeln darf mit dem Rückruf nicht verwechselt werden. Ein Rückruf aufgrund eines Fahrzeugmangels kann zwar auch zu einem Recht auf Rückabwicklung des Kaufvertrages führen, aber nur wenn das Fahrzeug trotz Nachbesserung nicht in einen vertragsgerechten Zustand versetzt werden kann.
Weitere Informationen
>> Abgasskandal: Wer Schadensersatz geltend machen kann
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