02.08.2020

Radverkehr: Steigende Unfallzahlen machen Handlungsbedarf deutlich

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Der Anteil von Strecken, die im Alltag mit dem Fahrrad im Alltag zurückgelegt werden, steigt. Gleichzeitig geht aber auch die Zahl verletzter und getöteter Radfahrerinnen und Radfahrer nach oben. Es besteht dringender Bedarf, mehr für die Verkehrssicherheit von Radfahrerenden zu tun. Dabei sollte auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden.


Der Fahrradboom der letzten Jahre hat eine unschöne Kehrseite: Es fahren nicht nur immer mehr Menschen mit dem Fahrrad, sondern es verunglücken auch immer mehr Radfahrerinnen und Radfahrer. 2019 kam es in Deutschland zu über 460 Fahrrad-Unfällen mit tödlichem Ausgang, das sind 21 Prozent mehr Fahrradtote als 2017. Die Gesamtzahl der Unfälle mit Fahrradbeteiligung lag im letzten Jahr bei fast 100.000. Während verkehrsmittelübergreifend die Zahl der Unfälle mit Personenschäden und tödlichem Ausgang zurückging, wird bei den Radfahrenden eine gegenläufige Entwicklung deutlich.


Was lässt sich tun, um die Verkehrssicherheit von Radfahrenden zu verbessern? Es gibt verschiedene Handlungsansätze und Forderungen, die nachfolgend beleuchtet werden:


Infrastruktur und Gesetze zum Schutz von Radfahrern

 

Viele sehen die Politik gefordert, angesichts eines wachsenden Radverkehrsanteils die Infrastruktur für Fahrräder auszubauen und Regeln zum Schutz von Radfahrerinnen und Radfahrern einzuführen bzw. besser durchzusetzen. In beiden Bereichen passiert tatsächlich etwas: Viele Kommunen bauen Radwege neu oder erweitern sie und es sind auch verschiedene Radschnellwege in Planung – etwa zwischen Wolfsburg und Braunschweig oder zwischen Heidelberg und Mannheim. Auch könnten Pop-Up-Radwege, wie sie im Zuge der Corona-Pandemie etwa in Berlin, Stuttgart oder Düsseldorf entstanden sind, nach der Krise dauerhaft erhalten bleiben. Diese neuen Radwege wurden kurzfristig durch Markierungen auf der Straße angelegt, bieten mehr Platz für Radfahrende und erhöhen ihre Sichtbarkeit, was die Gefahr von Unfällen verringert. Auch im Bereich der Verkehrsregeln tut sich etwas. Mit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (STVO), die Ende April 2020 in Kraft trat, gehen mehrere Regelungen einher, welche die Sicherheit von Radfahrenden erhöhen: Hier sind vor allem der neue Mindestabstand von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahrern durch Pkw sowie höhere Bußgelder beim Zuparken von Rad- und Fußwegen zu nennen. Während der Radwegeausbau in vielen Fällen erst mittelfristig Effekte zeigt, da Planung und Bau mehrere Jahre benötigen, könnten die neuen Verkehrsregeln unmittelbar wirken. Allerdings wurde die STVO-Novelle kurz nach Inkrafttreten aufgrund von Formfehlern ausgesetzt. Und dann kommt es auch darauf an, dass die neuen Vorgaben auch tatsächlich durchgesetzt werden. Bisher schenken die Ordnungsbehörden Regelverstößen durch und gegen Radfahrende relativ wenig Beachtung.

 

Betriebliche Förderung von Verkehrssicherheit

 

Eine zweite Möglichkeit, um für mehr Sicherheit im Radverkehr zu sorgen, besteht darin, den Handlungsspielraum auf der betrieblichen Ebene zu nutzen. Vor allem in den Städten fahren jeden Tag viele Beschäftigte mit dem Fahrrad zur Arbeit. Der Radverkehrsanteil im Berufsverkehr beträgt etwa zehn Prozent – und das bei über 30 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die Nutzung des Fahrrads auf dem Arbeitsweg wird von Arbeitgeberseite aus unter anderem durch Finanzierungsmodelle wie das Dienstradleasing, gute Abstellanlagen und kostenlose Lademöglichkeiten für Pedelecs gefördert. Es gibt weitere sinnvolle Maßnahmen, die vor allem das Thema Sicherheit in den Blick nehmen. Davon profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte, da es beim Fahrradfahren ein relativ hohes Wegeunfallrisiko gibt und passende Maßnahmen Verletzungen und Ausfallzeiten verhindern bzw. verringern können. Betriebe haben etwa die Möglichkeit, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kostenlose Fahrradchecks, Fahrsicherheitstrainings und Sicherheitsausrüstung wie Warnwesten oder Helme anzubieten. Wichtig ist auch das Feld der Kommunikation, um für die Risiken des Verkehrsmittels und ein angepasstes Verhalten zu sensibilisieren. Mögliche Kooperationspartner für die Betriebe sind die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, die auch im Bereich Wegeunfälle intensive Präventionsarbeit leisten.

 

Verhalten der Radfahrerinnen und Radfahrer

 

Schließlich können Radfahrerinnen und Radfahrer auch selbst einiges dafür tun, um unversehrt an ihrem Ziel anzukommen. Eine kluge Routenwahl sollte darauf abzielen, stark befahrene Straßen mit unübersichtlichen Kreuzungen oder fehlenden Radwegen zu vermeiden. Ein technisch intaktes Fahrrad mit zuverlässigen Bremsen und funktionsfähigem Licht sorgt dafür, dass Radfahrer bei Gefahr rechtzeitig anhalten können und auch im Dunkeln gesehen werden. Und schließlich lassen sich auch durch regelkonformes Verhalten wie Fahren auf der richtigen Straßenseite und der Beachtung von Ampelzeichen unnötige Risiken vermeiden.

 

Gemeinsame Anstrengungen nötig

 

Insgesamt zeigen die steigenden Unfallzahlen von Radfahrerinnen und Radfahrern, dass alle Seiten – sei es Politik, Polizei, Betriebe oder die Nutzerinnen und Nutzer selbst – das Thema Verkehrssicherheit ernst nehmen und ihr Engagement nach Möglichkeit verstärken sollten. Ansonsten wird für die aus umwelt- und verkehrspolitischer Sicht erfreuliche Entwicklung im Bereich der Fahrradnutzung ein sehr hoher Preis zu zahlen sein.